
Futūrum Germāniæ. Oder: Szenarien deutscher Zukünfte
Die Zukunft liegt nicht im Dunkeln, aber sie ist ungewiss. Gerade heutzutage – im Spannungsfeld zwischen Irrationalismus und Singularität, zwischen Gewalt und Galaxien eingezwängt, ist sie sogar ungewisser, denn je. Es wäre eine Überraschung, hielte sie keine Überraschungen bereit. Die Zukunft ist volatil, sie ist einfach da, und meistens unberechenbar. Einerseits ist sie von langweiliger Routine geprägt. Denn die nächste und nahe Zukunft ist nicht viel anders als das Heute. Und größtenteils auch das Gestern. Und dennoch kann die Welt morgen früh schon ganz anders aussehen als die Welt heute Abend. Aus dieser Ungewissheit rühren Reiz und Neugier, das Morgen und Übermorgen vorhersehen zu wollen. Sie sind seit den Zeiten des Orakels von Delphi stets übermächtig gewesen.
Die meisten Menschen kennen – zumindest ansatzweise – die Vergangenheit, jedenfalls ihre eigene. Sie leben in der Gegenwart, und kommen darin mehr oder weniger gut zurecht. Doch was sie – seit allen Zeiten – wirklich interessiert – und sowohl fasziniert als auch ängstigt, das ist die nähere und fernere Zukunft.
Der große Philosoph des kritischen Rationalismus, Karl Popper, stellte ernüchtert fest, dass wir nur die nächste und die fernste Zukunft einigermaßen sicher vorhersagen können: die allernächste Zukunft werde wahrscheinlich so ähnlich sein wie die Gegenwart, und die fernste Zukunft ist das Ende von allem. Was dazwischen liegt, ist das, was uns eigentlich interessiert, und das lässt sich nur vage vorhersagen. Dennoch kann eine grobe Vorausschau auf die Zukunft und deren aktive Gestaltung gewagt werden: Sie kann zum »Besseren« beeinflusst und auch gesteuert werden, wenn der Wille vorhanden ist.
Wie die Zukunft (in Deutschland) – je nach Perspektive und Ausgangslage, aussehen dürfte, wie sie bestenfalls und realistischerweise aussehen könnte und mit welchen strategischen Zukunftsentwicklungen zu rechnen ist, das soll nachfolgend erkundet werden.
Hier ist eine ferne Zukunft von vorgestern:
»Was heute noch wie ein Märchen klingt, kann morgen Wirklichkeit sein. Hier ist ein Märchen von übermorgen: Es gibt keine Nationalstaaten mehr. Es gibt nur noch die Menschheit und ihre Kolonien im Weltraum. Man siedelt auf fernen Sternen. Der Meeresboden ist als Wohnraum erschlossen. Mit heute noch unvorstellbaren Geschwindigkeiten durcheilen Raumschiffe unser Milchstraßensystem. (…)« So begann jede Episode der bekanntesten deutschen Science-Fiction-Fernsehserie ›Raumpatrouille – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion‹.
Es waren die hoffnungsfrohen, utopischen Aufbruchsträume der 1960er Jahre.
Wie sehen heutzutage die Perspektiven aus? Einerseits ist die Zukunft, wie die Geschichte an sich, ein Prozess mit radikal offenem Ausgang. Sie verläuft nicht linear auf irgendeinen vorbestimmten Zustand oder ein vorbestimmtes Ende zu. Etwa, dass am Ende der Messias kommt, das Paradies oder die klassenlose Gesellschaft. Es hängt immer von den Entscheidungen ab, die heute getroffen werden. Denn heutige Entscheidungen, etwa die der Politik, können die Zukunft ganzer Länder präjudizieren, indem sie den Menschen Kuckuckseier ins Nest legt, die irgendwann wie Bomben den Nachgeborenen um die Ohren fliegen werden. Wer z.B. seinen Wahlbürgern (und deren Kindern und Kindeskindern) viele Billionen Euro (oder US-Dollar) an Schulden, zuzüglich Zins und Zinseszins aufbürdet, schafft wissentlich Fakten, die noch in ferner Zukunft ganze Generationen binden dürften.
Unter Berücksichtigung der Risiken und Chancen sei dennoch ein erster Ausblick auf das Jahr 2040 gewagt.
Denn das Jahr 2040 ist kein dunkler Traum mehr. Das Jahr 2040 wird das logische Ergebnis unseres heutigen Handelns sein. Abzüglich der Unschärfe unvorhersehbarer schwarzer Schwäne, die – in welcher Erscheinungsform auch immer – aus jeder denkbaren oder undenkbaren Ecke auftauchen könnten.
Was sicher ist: Im Jahr 2040 wird sich die Welt vollständig verwandelt haben – »not with a bang but a whimper« – nicht durch einen lauten Knall, sondern durch eine stille, schleichende Revolution …
2040. Willkommen in der Matrix
2040 könnte eine Revolution aus Technologie, Profitgier und Kontrollzwang sein. Was einst als Fortschritt galt, hat sich in einen digitalen Albtraum verwandelt. Die Grenzen zwischen den Menschen und den Maschinen sind gefallen. Die Mensch-Maschine-Schnittstelle macht Smartphones und Bildschirme überflüssig. Ein Gehirnchip übernimmt alles – von Kommunikation und Werbung, bis Arbeit und Freizeit. Jede Sekunde des Lebens ist vernetzt. Selbst im Schlaf wird man bombardiert – mit Träumen, mit virtuellen Welten, gesponsert von globalen Marken. Privatsphäre ist nur noch ein historisches Konzept. Man denkt, selbst zu denken – aber eigentlich denkt der Echtzeit-Feed für das jeweilige Gehirn, das er mit Bits und Bytes injiziert.
Medizinische Wunderdrogen halten die Körper dauerhaft jung. Doch Jugend bedeutet nun: ewige Arbeitskraft. Keine Rente, kein Ruhestand. Man wird gebraucht – nicht, weil man notwendig ist, sondern, weil nutzlose Sisyphusarbeiten die Menschen davon ablenken, dass es kaum noch echte Jobs gibt. Denn die Roboter haben das meiste übernommen. Landwirtschaft, Transport, Pflege, sogar emotionale Betreuung: voll automatisiert. Menschen werden nur noch als zahlende Konsumenten geduldet – oder als Content-Ersteller auf Plattformen, in denen Likes die neue Währung sind. Ein paar Glückliche werden Influencer, der Rest wird ignoriert, nutzlos und unsichtbar.
Die überholte Ideologie des Feminismus, von dem 2040 keine blasse Erinnerung mehr vorhanden sein wird, hat in der Langzeitwirkung die Kernfamilie entkernt. Die Familie wird als eine überholte Idee auf der Müllkippe entsorgt. Kinder entstehen in künstlichen Uteri, von Algorithmen optimiert. Ob Liebe, Bindung, Nähe, dies alles ist zweitrangig geworden. Sobald das Kind auf der Welt ist, wird es ins Netzwerk gespeist – Bildung, Werte, Sozialisation kommen als Upload direkt ins Hirn. Eltern sind nur noch biologische Fußnoten. Die Familie stirbt aus. Der Mensch wird zur isolierten, atomisierten Einheit im Datennetz.
Wo die Familie zerbröselt, hat auch die Jugend keine Perspektiven mehr; keine Ziele und keine Arbeit. Die Jungen fliehen in virtuelle Welten, erschaffen sich Inhalte in der Hoffnung auf ein bisschen Einkommen. Das bedingungslose Grundeinkommen existiert – ja, als Luftschloss – aber es reicht nur für synthetischen Brei, für Käferpasten, Illusionen und Soylent Green. Echte Nahrung, echte Erlebnisse, echte Emotionen können sich nur noch die Angehörigen der 0,1-Prozent-Klasse der Super-, Ultra-, Mega- und Hyperreichen leisten. Menschliche Nähe ist ein Luxusprodukt, eine Dienstleistung für die ganz wenigen.
Damit es so bleibt, herrscht grenzenlose Kontrolle durch Angst. Drohnen, winzig wie Insekten, kreisen über jeder Straße, jeder Bewegung, jedem Gedanken. Niemand ist je allein – und das ist kein Trost. Polizeiliche Einheiten aus schwebenden Robotern ›beruhigen‹ mit Elektroschocks etwaige Regelbrecher. Militärische Auseinandersetzungen laufen automatisiert ab: Drohnen gegen Drohnen, Laser gegen Laser, gesteuert von kalter, emotionsloser KI. Der Krieg hört nie auf – er ist allgegenwärtig, leise, effizient. Ozeanien ist stets im Krieg mit Eurasien. Ozeanien ist stets im Krieg mit Ostasien. Die Kriegsparteien wechseln, aber Ozeanien ist stets mit dem jeweils aktuellen Feind im Krieg und war mit dem anderen immer im Frieden.
In der Postdemokratie, in der ewige Angst die Kontrolle orchestriert, weiß niemand, wer tatsächlich herrscht. Offiziell führen Präsidenten und CEOs die Welt. In Wahrheit aber regiert längst die KI. Sie gibt sich zurückhaltend, freundlich, nützlich. Doch im Hintergrund zieht sie alle Fäden. Algorithmen entscheiden über Wirtschaft, Krieg, Gesundheit, Liebe – kurz: über alles. Der Einzelne ist ein Haustier in einem System, das vorgibt, es zu füttern, während es ihn nur lenkt.
2040 könnte eine Welt sein, in der technischer Fortschritt nicht mehr dem Menschen nützt, sondern ihn ersetzt. Es könnte eine Welt sein, in der das Individuum keine Rolle mehr spielt, weil alles gesteuert, berechnet und optimiert ist – nur nicht das Menschsein selbst. – Und während die Wenigen der Geldmachtklasse im Verborgenen transhumanistische Unsterblichkeit erlangen und in ihren Weltraumkolonien unter sich sind und dem Müßiggang frönen, verfallen die Massen: Still, berechenbar, scheinbar abgesichert, in einem Käfig aus Licht, Bequemlichkeit, Abhängigkeit und Rund-um-die-Uhr-Überwachung.
Von der Dystopie zur Utopie 2040
2040 könnte die Menschheit aber auch eine neue Stufe ihrer Evolution erreicht haben, in der Technologie und Ethik zu einer untrennbaren Einheit verschmolzen sind. Gehirnchips und Künstliche Intelligenz dienen nicht länger nur der Effizienzsteigerung, sondern fördern gezielt Empathie, Kreativität und kritisches Denken. Wissen ist sofort abrufbar, Sprachbarrieren existieren nur noch in Geschichtsbüchern. So wird globaler Austausch nicht von Hürden, sondern von gemeinsamer Neugier getragen.
Automatisierung hat die Last monotoner Arbeit von den Schultern der Menschen genommen und Raum geschaffen für Tätigkeiten, die wirklich bedeutsam sind. Erwerbsarbeit ist zu einem Akt der Selbstverwirklichung geworden: Jeder kann seiner Leidenschaft nachgehen, sei es in Kunst und Wissenschaft oder im sozialen Engagement. Bildung begleitet die Menschen ein Leben lang – individuell zugeschnitten, mit klarer Ausrichtung auf ethische Reflexion und Problemlösungskompetenz.
In einer solchen Gesellschaft zählen Kooperation und Gemeinsinn mehr als Konkurrenz. Innovation entsteht in offenen, vernetzten Werkstätten, in denen Unternehmen und Einzelpersonen gleichermaßen an nachhaltigen Lösungen arbeiten. Der wirtschaftliche Erfolg bemisst sich nicht mehr (nur) am Gewinn, sondern am Mehrwert für Gesellschaft und Umwelt. Nebenbei wurde die Armut besiegt: Eine automatisierte Kreislaufwirtschaft garantiert Nahrung, Wohnraum, Energie und Internetzugang für alle. Das universelle Grundeinkommen dient nicht nur als Überlebenssicherung, sondern als Plattform für kreative und soziale Initiativen. Altruismus wird als höchster sozialer Wert gehandelt. Wer teilt und unterstützt, gewinnt Ansehen; Egoismus und Gier werden gesellschaftlich geächtet. Beziehungen basieren auf freier Wahl und geteilten Werten, nicht auf gesellschaftlichem Zwang.
Politische Entscheidungen erfolgen dezentral, transparent und datenbasiert. Jede Stimme fließt in ein digitales Abstimmungssystem, das Manipulationen ausschließt. So entsteht eine lebendige Technokratie, in der Bürger unmittelbar am Gestaltungsprozess teilhaben – jenseits von Lobbyismus und Korruption.
Während äußere Fortschritte sich vollziehen, widmet sich die Gesellschaft zugleich der inneren Entwicklung: Meditation, psychosoziale Prävention und Therapie sind so selbstverständlich wie Sport. Seelisches Wohlbefinden gilt nicht mehr als Privileg, sondern als Grundrecht.
Selbst das Sonnensystem wird zum Raum der Kooperation: Friedliche Forschungsstationen und Kolonien auf Mond und Mars entstehen im Geiste gemeinsamen Wissens- und Entdeckerdrangs. Technologien, die für die Herausforderungen der Raumfahrt entwickelt wurden, kehren als vielfältige Schlüsselinnovation in die irdischen Ökosysteme zurück und helfen bei deren Regeneration.
In dieser Utopie ist die Erde kein Besitz mehr, sondern ein Partner: Wälder und Meere werden gepflegt, Arten geschützt und Biodiversität gefördert. Das menschliche Selbstverständnis hat sich vom »Was habe ich?« hin zu einem »Was gebe ich?« gewandelt. Und so sind Lebensglück und -sinn nicht mehr Produkte materiellen Reichtums, sondern Ergebnisse gemeinsamer Fürsorge und schöpferischen Handelns.
Wie wahrscheinlich ist das alles? Auch wenn jeder Mensch gerne über die Zukunft verfügen würde und sich vorstellt, wie die Dinge in einem, in fünf oder in zehn, in zwanzig oder in hundert Jahren sein werden, sind sie doch hoch kontingent. Das heißt, all diese Dinge sind möglich, aber sie sind nicht notwendig. Um sich das Denkbare und Erwartbare vorzustellen als auch das Undenkbare denken zu können, bedarf es eines realistischen Mindsets der Grenzüberschreitungen.
Zukunftsszenarien, Innovationen, ungewöhnliche Ideen oder neue Lösungen sind nur denkbar, wenn man das Undenkbare denkt, insbesondere zu Ende denkt. Es gilt, alle Denkblockaden und/oder alle selbst auferlegten Denkverbote zu überwinden, da die Ergebnisse sonst bestenfalls in die Sackgassen von gestern führen. Aber dieses Denken rechtfertigt sich erstens nur nach Klärung der Frage seiner Realisierbarkeit und zweitens unter Berücksichtigung der Unmöglichkeit gesellschaftspolitischer Utopien, die stets »Menschenexperimente mit ungewissem Ausgang sind« (Karl Popper). Indessen ist ein entschlossenes, entfesseltes und mutiges Out-of-the-box Denken die beste Voraussetzung.
Das Problem sei anhand des sogenannten Neun-Punkte-Rätsels (oben) verdeutlicht. Es gilt, die neun Punkte mit vier Linien (oder weniger) zu verbinden, ohne den Stift abzusetzen. In Experimenten zeigte sich, dass Versuchspersonen dazu neigen, »Inside the box« zu denken. Die Probanden sehen die Anordnung der Punkte im Quadrat und tendieren dazu, sich selbst Beschränkungen aufzuerlegen – beispielsweise die, das Quadrat nicht verlassen zu dürfen (links). Es existiert allerdings keine solche Vorgabe. Doch so lässt sich die Aufgabe niemals meistern. Daher kann die Lösung des Problems nur durch eine »Out of the box«-Grenzüberschreitung zum Erfolg führen, wie z.B. rechts.
Einleitung
Das Deutschland des Jahres 2025 liegt multimorbid darnieder. Naheliegenderweise leugnen die parteipolitisch herrschenden Kreise und ihre nachgelagerte Entourage (z.B. Beamten-, ÖRR- und NGO-Komplex) verbissen die tatsächliche Lage. Oder sie versuchen diese schönzureden, da genau dieser, und kein anderer Zustand, ihr Ziel ist. Eine annähernd objektiv-neutrale Diagnose vor dem unterstellten Hintergrund eines »deutschen Interesses«, wenn es ein solches gäbe, zeichnet indessen ein anderes Bild.
Es gibt Dinge, die sich kein vernunftbegabter Mensch wünscht. Ja, es gibt Dinge, über die sich jeder redlich, nach Treu und Glauben handelnde Mensch weigert überhaupt nachzudenken. Aber was, wenn die Dinge unvermeidlich sind, wenn sie zwangsläufig kommen? Sie einfach zu ignorieren, dürfte nicht der Modus Operandi sein, mit dem sich verantwortungsbewusste Menschen den Realitäten stellen.
Die US-amerikanische Autorin und Philosophin Ayn Rand (geb. Alissa S. Rosenbaum) brachte es schon vor Jahrzehnten auf den Punkt: »You can ignore reality, but you can’t ignore the consequences of ignoring reality«.
Ein solches Ding, das man nicht ignorieren sollte, ist Entropistan. Entropistan ist eine schon am Horizont wie ein Tsunami sich gewaltig aufbäumende Dystopie, die alles überrollen wird. Entropistan ist ein dystopischer Staat, der möglich ist, und der von Tag zu Tag wahrscheinlicher wird. Entropistan ist ein Staat, der seinem Wärmetod entgegen taumelt, weil die gesellschaftlichen Strukturen zunehmend versagen, weil sich die ›Unordnung‹ (Entropie) in den sozialen Systemen beschleunigend multipliziert und die Kommunikation, Kooperation sowie kollektive Handlungsfähigkeit systematisch untergräbt.
Entropistan ist ein stark zersplitterter Staat, der geprägt wird von Misstrauen der Bevölkerung gegenüber Regierung, Parteien und Behörden, von übersteigerter multiethnischer Fragmentierung, Segregation, Tribalismus und sich abkapselnden Parallelgesellschaften, von maßloser politischer Polarisierung, von Irrationalismus und ausufernder Gewalt auf den Straßen, von einem Klassenkrieg herrschender, parasitärer Klassen gegen die beherrschten, wertschöpfenden Klassen, von breiten bildungsfernen und/oder -resistenten Bevölkerungsschichten, von zerfallender Infrastruktur, von Amtsmissbrauch und einer parteiideologisch abhängigen Zweiklassenjustiz, von einem Staat des Klientelismus und der Korruptionsanreize, der Propaganda, Manipulation, Willkür und Zensur sowie einer alles erstickenden Bürokratie. Entropistan ist eine Gesellschaft, deren sozialer Zusammenhalt, deren Werte, Ordnung und Funktionsfähigkeit sich auflöst.
1. Teil: Entropistan
Vorbemerkungen zur Entropie
Der aus dem Altgriechischen stammende Begriff Entropie (altgriechisch: ἐντροπία) bedeutet so viel wie Umwandlung. Entropie beschreibt sowohl eine physikalische Zustandsgröße als auch ein Maß aus der Informationstheorie (hier wird Entropiezunahme als Informationsverlust verstanden). Ausgehend vom zweiten Hauptsatz der Thermodynamik und verwandten Erkenntnissen, beschreibt Entropie in Bezug auf politische und gesellschaftliche Strukturen entweder – bildlich – ein Maβ für »soziale Unordnung« oder einen von Informations- und Wahrscheinlichkeitstheorien abgeleiteten Indikator für verfügbare oder nicht verfügbare Information bzw. eine Funktion von Wissen und Unwissen.
So geht der Soziologe Manfred Wöhlcke¹ davon aus, dass in sozialen Systemen bestimmte Kräfte wirksam sind: die Tendenz zur ›Syntropie‹ (begrifflicher Gegensatz zu Entropie), manchmal auch als ›Negentropie‹ bezeichnet, zur Aufrechterhaltung von Ordnung, zum Aufbau von Organisationsstrukturen, und die Tendenz zur Entropie, zur Unordnung, zum Verfall. Soziale Entropie wird in der bislang komplexesten Gesellschaftsform, der wissenschaftlich-technischen Zivilisation, am deutlichsten sichtbar, weil hier das erforderliche Maß an syntropischen Gegenkräften nicht mehr erreicht werden kann. Die Folge ist die soziokulturelle Desintegration, der Zerfall.
Zerfallserscheinungen sind etwa Übervölkerung, Flüchtlings- und Einwanderungsströme, ›Merkel-Poller‹ (im Boden befestigte Pfosten) in Fußgängerzonen und auf Weihnachtsmärkten, Zweiklassenjustiz, Melde- und Hinweisstellen zur Denunziation missliebiger Mitbürger, Rauschmittelfreigabe, Schüler, die Lehrer verprügeln, Sicherheitspersonal in den Wartebereichen der Notaufnahmen von Krankenhäusern, Verwahrlosung des öffentlichen Raums, durch Graffiti massenhaft verschandelte Häuserwände, Denkmäler oder S- und U-Bahn-Waggons, antiautoritäre Erziehung, Poledance-Shows von Dragqueens in Kindergärten usw.
Durch eine solche Gesellschaft vagabundieren gesellschaftliche Teilmengen (und Maßnahmen), die entweder hochentropisch oder aber auch hochsyntropisch sind. Sekten und Terrorgruppen (oder auch die Mafia) zeichnen sich durch ein Höchstmaß an Binnenordnung aus, sind also nach innen hochsyntropisch, leisten aber gleichzeitig einen wesentlichen Beitrag zur ›Entropierung‹ der Gesamtgesellschaft. Hochentropisch sind auch multiethnische oder aber auch überalternde Gesellschaften. Multikulturelle, d.h. multiethnische Gesellschaften sind fragmentierte Gesellschaften höchster Entropie und geringster gemeinsamer Identität und Kohärenz. Der Verlust an Identität wird von außen (und innen) mittels Infiltration fremder Identitäten nicht gebremst, sondern weiter beschleunigt.
Der (vergebliche) Versuch Entropie zu senken verursacht immer Kosten. Insbesondere solche, die nicht in Geld messbar sind, also Opportunitätskosten. Die erwünschte Ordnung kommt nicht von allein zustande, denn sie ist mühsame und energieaufwändige Entropieverringerung. Es müssen also Arbeit und Kosten, nicht nur in Form von Geld, aufgebracht werden, um (wieder) Ordnung zu schaffen. Wobei die ›Entropierung‹ nie angehalten, sondern allenfalls verlangsamt werden kann. Und auch dies ist zweifelhaft. Der Kulminationspunkt gesellschaftlicher Entropie ist der Bürgerkrieg (siehe unten).
¹Manfred Wöhlcke, Das Ende der Zivilisation. Über soziale Entropie und kollektive Selbstzerstörung, dtv, München 2003.
A. Die Zustände
Ein Gefühl des Niedergangs macht sich seit längerer Zeit breit. Spätestens seit dem als COVID-19-Pandemie gemeisterten Ausnahmezustand macht sich das Gefühl breit, dass es mit einer freiheitlichen Gesellschaft in Deutschland und der industriellen Konkurrenzfähigkeit abwärts geht. Und das hat objektiv-reale Gründe. Im Land klaffen mindestens drei Großbaustellen, an denen allerdings eher bewährte Substanz abgerissen, statt Innovatives errichtet wird: Demografie inkl. Masseneinwanderung, Bildungsmisere und Innovationsflaute sowie Energiewende und Infrastruktur. Umzingelt sind diese Großbaustellen von zahlreichen Störgrößen wie beispielsweise sinkender Leistungswille, demotivierende Steuern- und Abgabenlast, Dominanz anstrebende Parallelgesellschaften, eine ins Extreme weisende politische Polarisierung, Entsolidarisierung und um sich greifender Tribalismus. Überschattet wird dies alles noch durch das inflationäre, die Gesellschaft unterwandernde Eindringen säkularer und religiöser Irrationalismen, die oft von Gewaltakten begleitet, Desorientierung, Angst und Resignation auslösen. Eine evolutionär gewachsene Kultur mit einst hohem Vertrauensniveau wird seit wenigen Dekaden auf diese Weise vorsätzlich, teils auch fahrlässig zersetzt.
Einwanderungsschocks
Seit Jahrzehnten wird in Endlosschleife die Forderung erhoben, Deutschland könne seine spätestens seit den 1960er Jahren vorhersehbaren demografischen Herausforderungen (Geburtenrückgang, Überalterung, Rentenfinanzierung, Fachkräfte) nur mittels millionenfacher Einwanderung bewältigen.
Hintergründe der o.g. Forderung sind zumeist wirtschaftlich-nutzenorientierte Erwägungen. Ökonomen lieben Einwanderung: Das utilitaristische Argument für Einwanderung eint Ökonomen der verschiedensten Lager wie kaum ein anderes Thema. In seinem Buch »The Culture Transplant«¹ legt der US-Wirtschaftsprofessor Garrett Jones dar, wie die Eigenschaften einer Bevölkerung große Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Ergebnisse der Gruppe und nicht nur des Einzelnen haben. In »The Culture Transplant« untersucht er eine der wichtigsten aller ökonomischen Fragen: Weshalb sind manche Länder reich und andere arm?
Die Antwort findet sich bereits im Untertitel seines Buches: »Wie Migranten die Volkswirtschaften, in denen sie ankommen, denjenigen angleichen, die sie verlassen haben« (Original: »How Migrants Make the Economies They Move To a Lot Like the Ones They Left«).
Wie viele andere vor ihm vermutet Jones, u.a. mit Rückgriff auf eine stark wachsende wissenschaftliche Literatur zum Thema, dass die Kultur einen Großteil dieser Antwort liefert. Es zeige sich, dass Migration kein einheitlicher Prozess ist. Es seien vielmehr die mitgebrachten Ideen, Traditionen und Werte, denen sich die Migranten auch nach der Einwanderung verpflichtet (und verbunden) fühlten. Damit verändern sie nicht nur Länder, sondern prägen auch deren Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur.
Das Besondere an Jones‘ Ansatz ist seine These, dass kulturelle Merkmale von Generation zu Generation fortbestehen. Kultur sei, wie der IQ, in hohem Maße »vererbbar«, sagt er. Das heißt: Bevölkerungen haben »tiefe Wurzeln« (deep roots), ein kulturelles Erbe, das Einstellungen und Verhaltensweisen auch lange nach der Zuwanderung maßgeblich beeinflussen. Die vollständige Assimilation innerhalb von ein oder zwei Generationen, so Jones, sei ein Mythos. »Italienische Amerikaner ähneln also in ihren Einstellungen stark den Italienern in Italien, deutschstämmige Amerikaner den Deutschen in Deutschland. Das ist wirtschaftlich wichtig und wird unterschätzt.«
Den kulturellen Herkunftshintergrund ausleuchtend, sieht Jones insbesondere die Auswirkungen chinesischer Migranten mit Bildungsdrang auf ihre Gastländer als ein positives Beispiel gelungener ökonomischer Einwanderung an. Er argumentiert, dass chinesische Einwanderer in ihren Einwanderungsländern »marktschaffende Minderheiten« seien. Andererseits waren es italienische und spanische Einwanderer der ersten und zweiten Generation, die etwa zwischen 1880 und 1920 ihre politisch linksgerichteten Einstellungen in ein ursprünglich marktfreiheitliches Argentinien mitbrachten. Innerhalb weniger Jahrzehnte hatten sich starke Gewerkschaften und sozialistische Forderungen durchgesetzt, aber auch politischer Radikalismus und Anarchismus gewannen an Widerhall.
Jones argumentiert, dass zwar Kompetenzvielfalt (sofern Kompetenz, d.h. Bildung usw. überhaupt vorhanden sind), ein Vorteil für die wirtschaftliche Produktivität sein kann. Ethnische Vielfalt jedoch stellt bestenfalls ein zweischneidiges Schwert dar: Sie bietet zwar einige Vorteile, birgt aber auch ernsthafte Risiken wie ethnische Konflikte, Illoyalität, Vertrauensverlust, ein anders ausgeprägtes oder fehlendes Arbeits- und Berufsethos usw.
Wie schwierig in einer Einwanderergesellschaft der Balanceakt zwischen Herkunft (und »Herkunftsgemeinschaft«) einerseits sowie Loyalität gegenüber der nominellen Nation (Staatsbürgerschaft) andererseits sein kann, zeigen Fälle wie die der beiden Bundespolizisten Ahmet K. (26) und Hakan A. (23). Ihnen wurde Anfang Juni 2025 vorgeworfen als Drogenkuriere mindestens 18 Kilo Kokain durch die Sicherheitskontrollen am Frankfurter Flughafen geschleust zu haben. Ähnlich der Fall des türkischstämmigen Staatsanwalts Yaşar G., der Kriminelle der niederländischen Kokain-Mafia immer wieder gewarnt und ihnen Ergebnisse aus Ermittlungsverfahren mitgeteilt hatte. Die Liste ließe sich beliebig erweitern. Viele Eingebürgerte, ob etwa als Soldaten der Bundeswehr oder als Beamte, durchlaufen nicht selten vergleichbare Treuekonflikte. Was nicht selten auch dem Druck und den Erwartungen seitens ihrer »Abstammungsgemeinschaft« geschuldet ist.
Zum Phänomen des gesellschaftlichen Stabilitätsankers »Vertrauen« hat u.a. der Politikwissenschaftler und Professor an der Harvard University, Robert David Putnam, geforscht. Er gilt als einer der einflussreichsten Soziologen der Gegenwart. Im Rahmen seiner Untersuchungen kommt er zum Schluss, dass es einen Zusammenhang zwischen Vielfalt einer Gesellschaft und Misstrauen unter deren Mitgliedern gibt: Je diverser die Gruppe, desto weniger vertrauen sich deren Mitglieder untereinander. Dies gelte in Los Angeles, eine der Städte mit dem größten Bevölkerungs-Mix weltweit, genauso wie im ländlichen Kansas. In sehr diversen Gemeinschaften, so die Analysen Putnams, trauen die Menschen auch nicht mehr anderen, die so sind wie sie selbst. Seine Ergebnisse würden sich unabhängig vom Standort bestätigen, sagte er: Je gemischter die Gesellschaft, desto misstrauischer würden die Leute. Sie zögen sich ins Private zurück, vor allem vor den Fernseher oder ins Internet.
Soziale Konflikte zwischen ethnisch unterschiedlichen Gruppen, einschließlich der damit verbundenen Gegenreaktionen, sind sehr real und streuen Unmengen von Sand ins Getriebe der institutionellen Qualität. Beispiele für nach Deutschland importierte Konflikte sind die Spannungen zwischen Kurden und Türken, die zwischen Ukrainern und Russen, zwischen irakischen Jesiden und irakischen IS-Anhängern, zwischen Palästinensern und Juden (bzw. der westlichen Gesellschaft) oder die Auseinandersetzungen zwischen syrischen Alawiten und sunnitischen Dschihadisten. Aber auch die brutal ausgetragenen Clan-Kriege zwischen türkischen, libanesischen, syrischen, nigerianischen und neuerdings auch ukrainischen Familien-Clans scheinen geradezu zwangsläufig angelegt zu sein.
Denn, was geflissentlich übersehen oder geleugnet wird, ist die Erfahrung beispielsweise der Einwanderung in Länder wie USA, Kanada oder Singapur. »Insgesamt ist die Migrationsgeschichte der letzten 500 Jahre eine Geschichte, in denen Menschen mit hohen historischen Werten in Länder mit niedrigeren historischen Werten migrierten«, schreibt Jones und schlussfolgert, wie die Migration aus historisch wirtschaftlich erfolgreichen Ländern, nämlich Europa und China, ein starker Prädiktor der heutigen Wirtschaftsleistung der genannten Länder [USA, Kanada, Singapur] ist.
Das heißt: Einwanderung aus hochentwickelten (stabilen) Ländern – in weniger hoch entwickelte – sind regelmäßig zum wirtschaftlichen (evtl. auch kulturellen) Vorteil der Aufnahmegesellschaft. Einwanderung aus weniger entwickelten oder unterentwickelten Ländern, gar aus »gescheiterten Staaten« (failed states) in hoch entwickelte Länder, bürden deren Aufnahmegesellschaft gewaltige Kosten auf. Am Praxisbeispiel Deutschland deuten sowohl die Quantität als auch die Qualität der bisherigen Einwanderungen eher auf ein immenses Verlustgeschäft hin. Die deutsche Aufnahme- und Trägergesellschaft, die seit den 1950er Jahren offiziell nie einer solchen Politik zugestimmt hat, muss neben den finanziellen auch unzumutbare Opportunitätskosten (z.B. Diversity Management wie Integrations- und Sprachkurse, Gesundheits- und Wohnungsmarkt, ethnische Verteilungskämpfe, Transfer externer Konflikte, Kriminalität, unbegrenzt steigende Transferkosten für Dolmetscher, Anwälte, Sozialarbeiter usw.) tragen.
Zahlreiche Befunde stützen diese Vermutung. So veröffentlichten im Januar 2024 niederländische Migrationsforscher Studien, u.a. mit dem Titel »Folgen der Einwanderung für die öffentlichen Finanzen« (Borderless Welfare State). Auf der Grundlage riesiger Datensätze betreffs Herkunft der Einwanderer, Bildungsabschlüsse, Einwanderungsmotive, Steuern, Transferleistungen, Kriminalitätsstatistiken usw. erfolgten zahlreiche Kosten-Nutzen-Analysen. Unabhängig voneinander kamen das Institut des Soziologieprofessors Gerrit W. Kreffer et al. (University of Amsterdam) und das im Auftrag des Unterhauses eingesetzte Forscherteam (Staatscommissie Demografische Ontwikkelingen 2050) um den niederländischen Staatsrat Richard van Zwol zu identischen Ergebnissen: Nach heutigem Stand, und ohne politisches Umsteuern, ist die unkontrollierte Einwanderung für die Niederlande sowie für vergleichbare westeuropäische Länder ein deutliches Verlustgeschäft, ein – nicht nur finanzielles – Fiasko.
Es wurde verglichen, welchen Nettoeinfluss Einwanderer auf die Staatskassen haben, d.h., was sie einerseits an Steuern zahlen und was sie andererseits an Transfernleistungen erhalten oder an sonstigen Kosten verursachen. Die Bilanz ist ernüchternd. Je nach Herkunftsregion und Migrationsmotiv kosten (irreguläre) Einwanderer den einheimischen Steuerzahlern sechsstellige Beträge je Person – im Durchschnitt 475.000 Euro in den ersten zwei Generationen. Personen, die mittels Familiennachzug kommen, kosten weitere 275.000 Euro. Am teuersten für westliche Aufnahmeländer sind Asylbegehrende und Wirtschaftsflüchtlinge aus Afrika. Jeder einzelne von ihnen kostet den Steuerzahlern nach Angabe der niederländischen Forscher 625.000 Euro.
Den niederländischen Berechnungsmodellen zufolge haben Einwanderer nur dann einen »positiven Netto-Einfluss«, wenn ihr Bildungsniveau in Gestalt von Berufs- oder Hochschulausbildung über dem der einheimischen Gesellschaft liegt. Eine solche gesteuerte Arbeitsmigration bringt dem Staat durchschnittlich 125.000 Euro mehr. Bei Bildungseinwanderern aus der EU und Großbritannien ergibt sich ein Plus von zirka 75.000 Euro. Je höher die Bildung, desto positiver der Netto-Beitrag. Es macht einen gewaltigen Unterschied aus, ob die eingewanderte Person ein Wirtschaftsflüchtling oder ein Asylbewerber aus dem Nahen Osten bzw. aus Afrika ist, oder eine ausgebildete, qualifizierte Fachkraft aus z.B. Japan, China, Indien oder den USA. Und es gilt noch etwas anderes zu berücksichtigen: Fachkraft ist nicht gleich Fachkraft. Jemand, der beispielsweise in Syrien als mittel- oder hochqualifiziert gilt, ist dies nicht automatisch auch in Deutschland. Es ist ein Unterschied, ob ein Arzt in Kinshasa oder Damaskus studiert hat – oder in Freiburg, Tübingen oder Heidelberg. Die Hochschulabschlüsse sind nicht vergleichbar. Das ist bei Handwerkern nicht anders …
Bestätigt werden die Studien aus den Niederlanden durch ähnliche Forschungsergebnisse des Wirtschaftswissenschaftlers Bernd Raffelhüschen von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Ausgangspunkt seiner Berechnungen ist die Generationenbilanzierung. Betrachtet werden auf der Soll-Seite alle Steuern, Abgaben, Pflege-, Renten-, Krankenversicherungsbeiträge usw., die Wirtschaft und Arbeitnehmer ins deutsche Steuer- und Sozialsystem einzahlen und auf der Haben-Seite die Ansprüche auf Transferzahlungen (Rente, Pensionen, Pflegekosten, Zuschüsse usw.) über die jeweils zu erwartende Lebenszeit der Anspruchsberechtigten. Doch wegen der alternden Gesellschaft besteht eine Lücke, die von Jahr zu Jahr größer wird, zwischen dem, was heute eingezahlt wird und den Leistungszusagen des Sozialstaats für heutige und künftige Generationen. In vielen Fällen sind minderqualifizierte Migranten stärker auf staatliche Unterstützung angewiesen als der Bevölkerungsdurchschnitt, insbesondere in Form von Bürgergeld, Arbeitslosengeld, Wohngeld, Kinderbetreuungszuschüssen und anderen Sozialleistungen. Laut Raffelhüschen liegt die Finanzlücke für die Steuer- und Sozialsysteme bei 13,4 Billionen Euro – ohne Zuwanderung. Mit Zuwanderung erhöht sich diese Lücke – aus den genannten Gründen, auf 19,2 Billionen Euro. Demnach kostet die irreguläre Einwanderung Geringqualifizierter die deutsche Volkswirtschaft 5,8 Billionen Euro – ein Vielfaches dessen, was man für nachhaltige Reformen aufwenden müsste. Die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme und dabei insbesondere der Altersvorsorge wird mit den überwiegend unterqualifizierten Asylbegehrenden und Wirtschaftsflüchtlingen unmöglich.
Alle drei, der genannten Forschungsarbeiten, weisen ein gemeinsames Muster auf. Je höher die durchschnittlichen Bildungsabschlüsse der Einwanderer im Vergleich zum durchschnittlichen Bildungsniveau der Aufnahmegesellschaft sind, desto eher profitiert diese davon. Das bedeutet umgekehrt, dass minder- oder unqualifizierte Einwanderer, darunter ein hoher Anteil von Analphabeten, jedes Sozialsystem über kurz oder lang sprengen. Beispielsweise sind in Afghanistan über 60 Prozent der Erwachsenen primäre Analphabeten. Doch auch funktionale Analphabeten (die zwar Buchstaben, Wörter oder kurze Sätze lesen und schreiben können, aber längere Texte nicht verstehen) haben es in einer technisch-wissenschaftliche Zivilisation beruflich schwer; es bleiben für sie bestenfalls Hilfsarbeiten übrig, die künftig Roboter übernehmen dürften.
Polemisch betrachtet fordert in diesem Zusammenhang der einst von Peter Scholl-Latour² im Mai 1998 angesichts der damals diskutierten »demografischen Explosion« hingeworfene Satz »Wer Kalkutta einführt, wird selbst zu einem Kalkutta« zu einem nochmaligen Nachdenken auf.
Jones vermutet, dass die nächsten Jahrzehnte zeigen werden, ob eine von Ländern wie Japan, Südkorea und China umgesetzte Politik geringer Diversität und geringer Einwanderung besser oder schlechter abschneiden wird als die von Nationen wie den USA, Frankreich, Großbritannien – oder Deutschland, die »ihre Einwanderungspolitik auf dem unwissenschaftlichen Klischee aufbauen, ethnische Vielfalt an und für sich sei unsere Stärke« (S. 100).
In die gleiche Kerbe schlug überraschenderweise auch Larry Fink, Gründer und CEO von BlackRock sowie langjähriger Migrations- und Diversitätsbefürworter, beim »Special Meeting on Global Collaboration, Growth and Energy Development« des WEF am 29.04.2024 in Riad (Saudi-Arabien). Hier übte er harsche Kritik an der bisherigen Einwanderungspraxis. Er stellte im Rahmen des Panels »Investing amid Global Fracture« die Frage, ob jene Staaten (wie z.B. China, Japan, Singapur, Südkorea oder Taiwan), die aggressiv in KI, Robotik und sonstige Automatisierungstechnologien investieren, im Gegensatz zu den klassischen westeuropäischen Einwanderungsländern, damit trotz schrumpfender Bevölkerung ihren Lebensstandard und Wohlstand in Zukunft nicht sogar massiv steigern könnten?
Unterstützt wird diese Einschätzung u.a. von Professor Michael Berlemann, wissenschaftlicher Direktor des HWWI (Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut), in einem Interview mit Hamburg News. Einerseits: »Arbeitskräfte mit niedriger Berufsqualifikation stehen uns eher im Übermaß zur Verfügung. Ein Grund liegt in der Zuwanderung von Menschen, die entweder keine qualifizierte Berufsqualifikation mitbringen oder wegen der Anerkennungsproblematik ihrer Qualifikation nur als Geringqualifizierte arbeiten.« Indessen bestünden die größten Chancen zur Lösung des Fachkräfteproblems im Einsatz von Automatisierung, Digitalisierung und KI. Berlemann: »Das ist die Strategie, in die wir vor allem Hoffnungen setzen. Ziel wäre es, so viele Tätigkeiten wie möglich zu automatisieren und damit Arbeitskräfte zu unterstützen. Das würde zu mehr Attraktivität im Arbeitsmarkt führen, weil repetitive Tätigkeiten wegfallen. Früher herrschte angesichts von mehr Technik im Arbeitsumfeld die Angst vor Jobverlust. Nun brauchen wir die Technik, um fehlende Arbeitskräfte zu ersetzen.«
Jones weist in seinem ebenso gründlich recherchierten wie provokanten Buch nach, dass es nur sieben Nationen seien (er nennt sie die I-7), die derzeit die meisten technologischen Innovationen weltweit hervorbringen. Er legt dar, wie diese Innovationskraft eng mit dem Erfahrungswert der Vorfahren zusammenhängt. Dabei argumentiert er utilitaristisch, dass es allen Menschen weltweit wichtig sein sollte, diesen hochinnovativen Ländern ihre guten Institutionen zu erhalten und sich nicht den Herkunftsländern der größten Einwanderergruppen anzugleichen, da »in den meisten Ländern der Welt kaum Patente und kaum formale Forschung und Entwicklung stattfinden«.
Die sieben Länder, die weltweit die meisten technischen Innovationen hervorbringen, sind die Schweiz, Schweden, die USA, Singapur, das Vereinigte Königreich, Südkorea und Finnland. Sie wurden im Global Innovation Index (GII) 2024 der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) unter 133 Volkswirtschaften anhand von rund 80 Indikatoren ermittelt. Deutschland kommt im GII 2024 auf Rang neun.
Bildungsabsturz
Nicht zu trennen von Innovations- und Wirtschaftsstärke – und damit vom allgemeinen Wohlstand – ist das jeweils vorherrschende Bildungsverständnis. Denn nachweislich gibt es unterschiedliche, kulturell verwurzelte aber auch ideologisch getriebene Bildungseinstellungen.
Es sind mindestens vier apokalyptische Reiter, die aus allen vier Himmelsrichtungen stürmend heransprengen und die Bildung in Deutschland unter den Hufen ihrer Schlachtrösser zermalmen. Es sind: Die Demografie der Einwanderung aus oft bildungsfernen Kulturen und Familien, die zahllosen ›Bildungsreformen‹ (insbesondere die Idee der leistungsfeindlichen Inklusion), die Reizüberflutung sozialer Medien einschließlich der Suchtabhängigkeit von digitalen Endgeräten sowie der schleichende Verlust der Buchkultur, d.h. der Lese- und Schreibkompetenz. Wie ist der Stand?
»Seit 25 Jahren befindet sich das deutsche Bildungswesen in einer Abwärtsspirale. Die jüngsten PISA-Ergebnisse markieren den bisherigen Tiefpunkt«, schrieb die Sonderpädagogin und heilpädagogische Psychologin Miriam Stiehler am 07.03.2024 im Magazin Cicero Online. Neben Migration und Lockdowns habe vom Kindergarten bis zum Abitur ein ideologisch begründeter Wandel stattgefunden, der die Qualität von Erziehung und Unterricht dramatisch absenke. Das Schlagwort »Bildungsmisere« scheint inzwischen ein Synonym für die zahllosen »Bildungsreformen« der letzten Jahrzehnte zu sein.
Schon seit Jahren weisen Vergleichstests wie die PISA-Studien darauf hin, dass das Leistungsniveau der Schülerinnen und Schüler in Deutschland sinkt. Immer mehr von ihnen mangelt es an altersgemäß erwartbaren Fähigkeiten. Dies dürfte zur Folge haben, dass in Zukunft noch mehr junge Menschen die Bildungsziele nicht erreichen werden.
Das Bildungsniveau der zumindest seit 2015 Eingewanderten bescherte Deutschland nur wenige Fachkräfte, stattdessen umso mehr Sozialhilfe-, heute Bürgergeldempfänger. Dem steht nach zahllosen Reformen ein bis zur Dysfunktionalität herabgewirtschaftetes, föderales Bildungswesen gegenüber. Egal, wie und was heute – insbesondere im internationalen Vergleich, gemessen wird: Der deutsche Schulalltag wird geprägt von Jahr zu Jahr schlechteren Schülerleistungen. In gleichem Maß, wie das Können sinkt, steigt die Gewalt an den Schulen und um die Schulen herum. Und so ist das Bildungswesen in mehreren selbst gestellten Fallen gefangen, aus denen es kaum ein Entrinnen zu geben scheint.
Neunzig Prozent aller seit 2015 nach Deutschland Eingewanderten stammen aus Ländern und Regionen mit islamischer Sozialisation. Die meisten von ihnen kamen oder kommen aus Syrien, Afghanistan, der Türkei, Irak, Somalia und dem Iran. Nicht verwunderlich ist es daher, dass sie die oft religiös bedingten Konflikte ihrer Heimat mitbringen. Im Gepäck haben sie aber auch einen Wertekanon, der eine äußerst geringe Übereinstimmung und Schnittmenge mit westlichen Werten (und einst ›preußischen Tugenden‹) aufweist. Im Gegensatz zur – zumindest bis vor zehn, fünfzehn Jahren – hierzulande gültigen Tradition einer hohen Wertschätzung von Bildung, ist diese im Islam nur wenig ausgeprägt. Nicht zufällig bezeichnet sich eine der brutalsten muslimischen Terrorgruppen selbst als Boko Haram ([Westliche] »Bildung ist Sünde«). Auch die afghanischen Taliban, die z.B. Mädchen und Frauen systematisch vom Zugang zu höherer Bildung ausschließen, schmähen Bildung als »unislamisch«; die Lehrpläne fokussierten sich fast ausschließlich auf Koranstudium und Islamgeschichte.
Ein zuverlässiger Maßstab für Bildungshunger und -beflissenheit sind das Image und der Nimbus des Kulturgutes ›Buch‹. Sowohl in islamischen Gesellschaften als auch unter den muslimischen Einwanderern steht das Buch (außer dem Koran) nicht gerade hoch im Kurs. Während ein durchschnittlicher US-Amerikaner zwölf Bücher im Jahr liest, kommt ein durchschnittlicher Araber gemäß »Arab Human Development Report 2003« der UN auf weniger als ein durchgelesenes Buch pro Jahr. Die Kinder im Westen verbringen (mit abnehmender Tendenz) rund 200 Stunden jährlich mit Belletristik, arabische Kinder durchschnittlich nur sechs Minuten (im Jahr). Das Gleiche äußert sich auch in der Wissensproduktion. In der ganzen arabischen Welt mit etwa 450-470 Millionen Menschen wurden (2008) nach Angaben des Generalsekretärs des arabischen Verlegerverbandes 5.910 Bücher auf Arabisch mit größtenteils kleinen Auflagen zwischen 2.000 und 3.000 Exemplaren veröffentlicht. Allein in Deutschland erschienen im gleichen Zeitraum an die 83.000 neue Titel. Doch seit Jahren befindet sich das freiwillige Lesen (von Büchern) in allen westlichen Ländern im Sinkflug.
Die wohltätige britische Alphabetisierungs-Organisation ›National Literacy Trust‹ führt seit 2005 jährlich eine Umfrage (Annual Literacy Survey) zur Lese- und Schreibkompetenz von Kindern und Jugendliche im Alter von fünf bis 18 Jahren durch. Die im Frühjahr 2025 durchgeführte Studie, für die 114.970 Minderjährige befragt wurden, zeigte einen drastischen Verfall der Lesefreude von Kindern und Jugendlichen (in Großbritannien) auf den niedrigsten Stand seit zwei Jahrzehnten. Am deutlichsten ausgeprägt war der Rückgang der Lesegewohnheit bei Jungen im Alter von elf bis 16 Jahren. Im Gegensatz dazu blieb die Lesefreude der Mädchen stabil oder verbesserte sich leicht. 39,1 Prozent der Mädchen im Alter von acht bis 18 Jahren gaben an, in ihrer Freizeit gerne zu lesen, verglichen mit 25,7 Prozent der Jungen. Nur jeder Dritte (32,7 %) der Acht- bis Achtzehnjährigen gab in diesem Jahr an, »sehr« oder »ziemlich« gerne zu lesen. Seit Beginn der Umfrage ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die in ihrer Freizeit gerne lesen, um 36 Prozent gesunken. Gleichzeitig hat sich der Anteil der Acht- bis Achtzehnjährigen, die täglich in ihrer Freizeit lesen, seitdem halbiert – von 38,1 auf 18,7 Prozent. Dieser Trend, hieß es seitens der Organisation, sei eine Herausforderung, gefährde er doch die Lebenschancen und die Zukunft der jungen Menschen. Der Einfluss des sozioökonomischen Hintergrunds auf das Lesen in der Freizeit ist laut Studie minimal (Lesen in der Freizeit wird geschätzt von 33 % der Angehörigen der höheren sozialen Schichten und von 31 Prozent der unteren Schichten).
Auch das Land der einstigen Dichter und Denker scheint sich in ein Land der (funktionalen) Analphabeten zu transformieren. So erreichten im Fach Deutsch bundesweit 32,5 Prozent der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler nicht den Mindeststandard im Lesen für den MSA (Mittlerer Schulabschluss). Am schlechtesten schnitt dabei Bremen mit 46,8 Prozent ab, am besten Sachsen mit 23,1 Prozent. Des Weiteren bestanden in Berlin nur 2,6 Prozent der Schüler ohne Gymnasialempfehlung den Probeunterricht (mit Prüfung), der zum Wechsel aufs Gymnasium berechtigen soll. Das heißt: nur 51 der 1.937 Schülerinnen und Schüler, die sich dem Test unterzogen, waren erfolgreich. Die Gymnasialempfehlung in Berlin setzt einen Notenschnitt von 2,2 in der Grundschule voraus. Und selbst im ehemaligen »Bildungs-Ländle« Baden-Württemberg erreichten von den landesweit knapp 100.000 Viertklässlern der Grundschulen bei der Mathematikprüfung Ende November 2024 nur sechs Prozent gymnasiales Leistungsniveau. 86 Prozent können lediglich auf Hauptschulniveau rechnen, acht Prozent erreichen Realschulstandard.
Diese Ergebnisse des Mathematik-Tests für Baden-Württembergs Viertklässler zur Grundschulempfehlung sind ernüchternd. Es drängt sich wiederholt die Frage auf, ob mit der »Generation Alpha«, die vielerorts eher als »Generation Talahon« aufwächst, noch eine technisch-wissenschaftliche Zivilisation aufrechterhalten werden kann.
Passend zum Ergebnis aus Baden-Württemberg warf die am 14.01.2025 veröffentlichte Studie »Aufwachsen in bildungsfernen Familien« ein grelles Schlaglicht auf das hoffnungslose Bildungsdesaster Deutschlands. Die Auswertung des vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) durchgeführten Mikrozensus zeigt, dass in den letzten Jahren immer mehr Kinder in Deutschland in bildungsfernen Milieus aufwachsen. Demnach ist der Anteil der Minderjährigen mit Eltern ohne berufsqualifizierenden Abschluss zwischen den Jahren 2011 und 2021 von 11,4 Prozent auf 17,6 Prozent gestiegen. Mehr als jedes zwanzigste Kind gehört inzwischen der besonders vulnerablen Gruppe der Kinder mit Eltern ohne Schulabschluss an. Besonders hoch sind die Anteile in den Großstädten Nordrhein-Westfalens und eher niedrig in den kleineren Kommunen mit weniger als 20.000 Einwohnern in den neuen Bundesländern und in Bayern. Die meisten der heute in Deutschland lebenden bildungsfernen Kinder kamen erst im Laufe ihres Lebens nach Deutschland, heißt es in der IW-Studie weiter.
Insgesamt sind die »nicht rein deutschsprachigen Kinder unter den bildungsfernen Kindern mit 64,9 Prozent sogar in der Mehrheit. Gleichzeitig sind 25 Prozent der bildungsfernen Kinder selbst zugewandert und 64,2 Prozent haben eine beidseitige Einwanderungsgeschichte, das heißt, kein Elternteil ist in Deutschland geboren. Noch deutlich größer sind die jeweiligen Anteile bei den Kindern mit Eltern ohne Schulabschluss«.
Nachwachsende Gewalt
Es geschah an der Carl-Bolle-Grundschule in Berlin-Moabit, 95 Prozent der rund 300 Schüler haben einen sogenannten Migrationshintergrund: »Du Schwuler, geh weg von hier. Der Islam ist hier der Chef«, brüllte ein muslimischer Fünftklässler den homosexuellen Lehrer Oziel Inácio-Stech an, der nicht nur vertrieben werden sollte, sondern tatsächlich vertrieben wurde. Eine Schülerin der Grundschule sagte, der Islam werde siegen, bald würden Christen »zerstört werden«, erinnerte sich eine Lehrerin. Die Schülerin einer vierten Klasse erklärte laut Süddeutscher Zeitung (SZ, 19.05.2025), sie möge »die Deutschen« nicht. »Ihr könnt doch gehen, wir brauchen euch hier nicht.« Diese Einstellungen sind kein Wunder bei mehrheitlich muslimischen Eltern, die sich beschweren, wenn Lehrerinnen ihrer Ansicht nach zu kurze Röcke tragen. »Wir Deutschen gehen hier unter«, fasste eine Lehrkraft resigniert die Lage zusammen. Hier findet keine Integration statt, sondern eine feindliche Übernahme – mit dem Ergebnis der bedingungslosen Kapitulation.
Es gibt unter eingewanderten Familien viele, für die Bildung seit Generationen selbstverständlich ist. Und es gibt diejenigen, die alles daransetzen, dass ihr Kind den Aufstieg schafft. Andererseits steigt die Zahl der Familien sprunghaft an, bei denen Schulabsentismus – von gelegentlichem Schwänzen bis hin zur vollständigen Schulverweigerung – ein Dauerthema ist, weil sich die desinteressierten Eltern nicht kümmern, selbst überfordert sind oder schlicht keinen Wert auf Bildung legen.
Am 04.10.2024 berichtete FOCUS Online von einer Lehrerin, die über die tägliche Gewalt an einer Brennpunkt-Schule »auspackte«. Offen sprach sie über den schulischen »Höllen-Alltag« aufgrund einer hohen Migranten-Quote aus sozial schwachen und bildungsfernen Familien. Verrohung und Aggressionen, sexuelle Übergriffe und Bedrohungen, Beleidigungen der Lehrerinnen – in zumeist sexualisierter Fäkalsprache – und Mobbing, Messergewalt und Polizeieinsätze seien an der Tagesordnung, berichtete die Pädagogin. Wörtlich: »An unserer Gesamtschule hatten 80 bis 90 Prozent der Schüler einen Migrationshintergrund. Viele stammen aus islamisch geprägten Ländern wie Irak, Syrien, Türkei, Algerien, Bosnien, Tschetschenien, Afghanistan oder Pakistan, aber auch aus Russland und Nordafrika.« Die Herkunft der Schülerschaft mit ihren Krisen- und Kriegserlebnissen sei mitursächlich für die zum Teil chaotischen Zustände an der Einrichtung, glaubt sie. »Der Zusammenhang lässt sich aus meiner Sicht nicht leugnen. Aber kaum jemand traut sich, das offen auszusprechen.« Für die ausufernde Gewalt in Klassenzimmern und auf Pausenhöfen seien »hauptsächlich migrantische Schüler verantwortlich, also die männlichen Heranwachsenden«, stellte die Lehrerin (…) fest.
Zahlen des Bundesinnenministeriums als Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zeigen, welche Gruppen das Kriminalitätsgeschehen (etwa in den Deliktfeldern der Straßenkriminalität, u.a. Diebstahl, Raub, sexuelle Belästigung) in Deutschland besonders in die Höhe treiben. Vor allem bei Minderjährigen klaffen die Unterschiede zwischen den Nationalitäten weit auseinander. Bei allen Straftaten ohne ausländerrechtliche Verstöße weisen Deutsche (d.h. Personen deutscher Staatsbürgerschaft, inkl. solche mit Migrationshintergrund) eine ›Tatverdächtigenbelastungszahl‹ (TVBZ) von 1.878. Die TVBZ gibt an, wie viele Tatverdächtige pro 100.000 Personen einer Bevölkerungsgruppe innerhalb eines Jahres polizeilich ermittelt wurden. Diese TVBZ liegt für Bulgaren bei 7.058, für Syrer bei 8.236, für Iraker bei 8.638 und für Afghanen bei 8.753 (jeweils pro 100.000 Personen der jeweiligen Nationalität). Besonders auffällig sind dabei minderjährige Ausländer. Syrische Jugendliche zwischen 14 und 18 sind laut Statistik rund fünfmal so häufig tatverdächtig wie gleichaltrige Deutsche. Bei Jugendlichen aus Algerien liegt der Wert sogar 56-Mal höher.
Ergänzung: Die BILD berichtet am 16.06.2025 über eine eigene aktuelle Umfrage unter allen 16 Bundesländern. Demnach sitzen 59.877 Männer und Frauen in deutschen JVAs, Untersuchungshäftlinge eingerechnet. Der Ausländeranteil liege mit 26.710 Häftlingen bei 45 Prozent und sei damit fast dreimal so hoch wie die Ausländerquote innerhalb der Wohnbevölkerung. In fünf Bundesländern (Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen) würden laut BILD inzwischen Syrer die meisten ausländischen Häftlinge stellen. Türken belegen demnach in vier Bundesländern (Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen) die »Spitzenposition«.
Klassenkrieg von oben
»Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen« (Warren E. Buffett, New York Times, 26.11.2006).
Der Klassenkampf nach altmarxistischer Theorie zwischen ausbeutenden Klassen (Kapitalisten) und ausgebeuteten Klassen (Proletarier), der in Reinform so nie und nirgends stattfand, wurde während der letzten Dekaden durch neue Akteure abgelöst.
Wer sind die Akteure dieser neuen Klassenkämpfe, dieses ebenso offenen wie unerklärten Bürgerkriegs? Wer sind die Aktiven und wer die Passiven? Wer die Lehensherren – die Prinzipale – und wer die Vasallen, die Hintersassen?
Der US-amerikanische Antisteuer-Lobbyist Grover Norquist beschrieb die Antagonisten in diesem Klassenkampf dichotom als die ›Takings Coalition‹, die ›Nehmende Hand‹ (d.h. die moderne US-amerikanische Linke), die sich die steuerzahlende Gebende Hand (der Mitte-Rechts-Wähler), die sog. ›Leave Us Alone Coalition‹, zur Beute nahm. Die ›Takings Coalition‹ umfasst als heterogene Klasse alle, die für ihren Lebensunterhalt auf Staatsausgaben, Mandate, Subventionen oder Quoten angewiesen sind, statt auf freie Märkte oder Freiwilligkeit. Ihr Ausbeutungsobjekt ist die ›Leave Us Alone Coalition‹ (›Regierung, lass uns in Ruhe‹) als der wertschöpfend passive Teil der Gesellschaft. Sie wird beschrieben als eine – ebenfalls – heterogene Klasse, die aber den Staat und die Regierung weder um Aufmerksamkeit noch um Zeit oder das Geld anderer anbettelt, sondern einfach in Ruhe gelassen werden möchte, um ein eigenbestimmtes Leben führen zu können, zu dem sie sich aus eigener Kraft und eigenem Willen befähigt sieht.
Der Engländer Sean Gabb, Direktor der ›United Kingdom Libertarian Alliance‹, kennzeichnete die Klasse der ›Takings Coalition‹ oder der ›Nehmenden Hand‹ als die ›Enemy Class‹. Damit beschrieb er nicht den (marxistischen) Klassenfeind, sondern die Feinde aller produktiven Menschen: Politiker und höhere Beamte zum Beispiel sowie ihre per Gesetz geschützten und/oder von Steuergeldern gestützten Hilfsarmeen, das akademische Lumpenproletariat der NGOs, der Medien, im Bildungssektor, in Gewerkschaften und in den Chefetagen subventionierter Konzerne. Es sei letzten Endes ein Kampf zwischen Individuum und Staat.
Ebenfalls dichotomisch, wenn auch auf einer anderen Ebene, identifizierte der britische Publizist David Goodhart zwei neue ›Metaklassen‹ bzw. Gesellschaftsschichten, die sich buchstäblich radikal in ihren Lebensweisen unterscheiden: Die ›Anywheres‹ (Irgendwos) und die ›Somewheres‹ (Dagebliebenen). Beide Gruppen trennt eine beinah unüberwindbare gesellschaftliche Sollbruchstelle, ein Riss durch die Gesellschaft, so dass sie sich in einem neuen, als Kulturkrieg beschönigten Klassenkampf, unversöhnlich gegenüberstehen. Wobei die aktive, angreifende Klasse die ›Anywheres‹ sind. Während die ›Somewheres‹ eher lokal oder regional verwurzelt, sozusagen auf die ländliche Scholle orientiert sind, zeichnen sich ›Anywheres‹ durch höhere Mobilität aus. Sie sind ihrem Selbstverständnis gemäß internationalistisch und ortsungebunden, in jedem Fall aber großstädtisch ausgerichtet. Auch wenn die ›Anywheres‹ als großstädtisch geprägte Kosmopoliten buchstäblich überall-und-nirgends zuhause sind, unterscheidet sie von den heimattreuen, heimatverbundenen ›Somewheres‹ – die ›Sesshaften‹, die weitgehend der oben gezeichneten ›Leave Us Alone Coalition‹ entsprechen, nicht eigentlich die Geografie des Wohnorts, sondern die soziale Differenz, das Mindset.
Die ›Anywheres‹ als vermeintliche Gewinner des technischen Fortschritts und der Globalisierung sind meist Akademiker, mehrsprachig, staatlich wohl besoldet oder in der wissensbasierten Wirtschaft tätig. Im Gegensatz dazu sind die einkommensschwächeren Somewheres, beruflich als Kleingewerbetreibende, Arbeiter oder Bauern lokal gebunden mit Nähe zu Familie, Haus, Kirche, Arbeit, Sprache und Tradition.
Selbst wenn die ›Anywheres‹, laut Goodhart, in allen Ländern des Westens eine Minderheit von nur 15 bis höchstens 25 Prozent darstellen – gegenüber den ›Somewheres‹ mit rund 50 Prozent Bevölkerungsanteil, bestimmen sie den Deutungsdiskurs. Das Auffällige: Sie haben die Herrschaftsebenen so durchdrungen, dass sie Gesellschaft und Politik unabhängig davon dominieren, welche politische Partei oder Koalition gerade an der Macht ist.
Am deutlichsten zeigt sich das etwa bei Fragen rund um das Thema Einwanderung. Während für mindestens 50 Prozent der ›Somewheres‹ die Einwanderungszahlen »viel zu hoch« sind, wünscht der extremste, drei bis vier Prozent der ›Anywheres‹ zählende Teil von ›Global Villagers‹, sogar noch mehr Einwanderung. ›Hardcore-Anywheres‹, wähnen sich gar als Krieger in einer Art Entscheidungsschlacht gegen die Barbaren, für die sie die ›Somewheres‹ – als die ›Abgehängten‹ – halten.
Verschärft sich dieser Klassenkampf weiter, müsse man sich Goodhart zufolge »auf noch stürmischere Zeiten gefasst machen«.
Das 0,1 Prozent
Der US-amerikanische Soziologe Charles Wright Mills beschrieb die Machtstruktur der US-amerikanischen Gesellschaft seiner Zeit in den 1950er Jahren als ein Netzwerk eng verflochtener Beziehungen zwischen den obersten Führern von Finanzwesen, Politik, Militär, Geheimdiensten und Wissenschaft. Die Angehörigen dieser Gruppen wechselten in einer Art Drehtüreneffekt (›Revolving Door‹) immer mal wieder die Seiten, wobei sie sich nicht selten gegenseitig korrumpierten, erklärte Mills. Heute hat sich dieses Verfahren über den ganzen Globus ausgebreitet.
Hans Jürgen Krysmanski (HJK), 2016 verstorbener emeritierter Soziologieprofessor der Universität Münster, wies in seinen Studien über Machtstrukturforschung (Power Structure Research), die sich auf die Erkenntnisse von Mills berufen (The Power Elite, 1956), darauf hin, dass trotz der alltäglichen Berichterstattung über die Staatsschuldenkrise, die alle westlichen Staaten im selbstverschuldeten Würgegriff hält, kaum einmal die Frage nach den Gläubigern der finanziell klammen Staaten aufgeworfen wird.
Die Zinsen, die der Bund für seine Schulden berappen muss, belaufen sich seit Jahren auf Dutzende Milliarden Euro (oder US-Dollar). Im Jahr 2022 bezahlte nur der Bund allein eine Summe von rund 15,3 Milliarden Euro an Zinsen. 2023 waren es über 42 Milliarden Euro Zinskosten. Die Zinslast verbirgt sich im Bundeshaushalt hinter dem Einzelplan 32 (»Bundesschuld«). Dies sind nur die abzuführenden Zinsen – ohne Tilgungen. Bereits im Jahr 2011 überwies die Bundesrepublik Deutschland (Bund, Länder und Gemeinden) rund 62 Milliarden Euro an Zinsen – irgendwohin. Nach Auskunft der Deutschen Bundesbank war die Bundesrepublik Deutschland Ende des 2. Quartals 2023 mit sechs Billionen Euro (Bruttoauslandsverschuldung) im Ausland verschuldet. Aber bei wem? Bekannt ist nur, dass die kleinen Privatanleger gerade ein Volumen von zwei Prozent der Staatspapiere halten.
Der durch Steuern finanzierte Staat gilt – nach wie vor – als der sicherste aller Schuldner. Er ist daher ein heiß umworbener Kunde der ›Geldverleiher‹, die fest mit einem ständig von den Steuerzahlern aufzubringenden Zinsstrom rechnen. Und diese Zinsen fließen (inkl. der Tilgungen) auf die Konten der global agierenden Super-, Ultra-, Mega- sowie Hyperreichen und Vermögenden bzw. an deren ›Frontorganisationen‹ (HJK) wie Investmentbanken, Pensions- oder Hedgefonds, hinter denen sie sich verstecken. Und das Risiko ist für sie überschaubar, verpfändet der Staat doch einen großen Teil des Steueraufkommens an sie.
Obwohl diese ›Staats-Gläubiger‹ zu den vermögendsten Menschen der Welt zählen, sind sie seit Jahren in der öffentlichen Diskussion unsichtbar, ja, sie haben sich konsequent ausgeblendet, obwohl sie dank ihrer Geldmacht im Hintergrund wirksam sind wie keine andere gesellschaftliche Gruppe. Aber sie bewegen sich mit einem präzise konstruierten Low Profile im Halbdunkel des politisch-gesellschaftlichen Lebens. In Grauzonen. Niemand soll wissen, wie mächtig und wie gefährlich sie sind. Niemand soll sie identifizieren können. Sie camouflieren sich als gute Hirten, Philanthropen, Wohltäter der Menschheit. Sie behaupten, über das Wasser gehen zu können. Tatsächlich aber gehen sie bestenfalls über Leichen. Ihre Stärke ist es, von den meisten Menschen nicht einmal erahnt zu werden.
Diese Geldmachtklasse ist »jenseits aller demokratischen Prozesse entstanden«. Ihr Geschäftsmodell ist die leistungslose Schaffung von Geld aus Geld, seit Kurzem auch die Schaffung von Geld aus Luft (CO2). Das profitabelste und menschenfeindlichste Geschäft überhaupt – und der innerste verborgene Kern der Klimawandelideologie. Die in der gesellschaftlichen Pyramidenspitze informell versammelte Geldmachtklasse des Planeten Erde ist eine »völlig losgelöste und zu allem fähige« (HJK) soziale Schicht, die als Letzteigentümer einen Großteil der globalen Ökonomie kontrolliert. Ihr gehören im Wesentlichen an …
- der alte Blut-Adel (europäische Königshäuser, Fürsten- und auch islamische Scheichtümer);
- die Erb-Dynastien (alte Bankiers-/Fabrikantenfamilien);
- der neureiche Geld-Adel (Vermögensverwalter, Pensions- und Hedgefonds-Manager, Börsenspekulanten, Tech-Milliardäre [Silicon Valley], usw.);
- die Mafia-Milliardäre (OK/Drogenkartelle, Clans von Großkriminellen, Tiefer Staat);
- die Oligarchen (korrupte Privatisierungsprofiteure der ehem. Ostblock- und Sowjetstaaten usw.).
Das Vorhandensein einer solchen Klasse ist kein Verschwörungsmythos, sondern nachweisbare Praxis. Ihre Vermögen sind so gewaltig, so weit verzweigt in der Welt, so gut platziert, in echten Sachwerten wie in Energieerzeugung, Wasserversorgung, Grundversorgung, Krankenhausketten, Lebensmittelversorgung, Immobilien in 1a-Großstadtlagen, riesigen Ländereien, Rohstoffvorkommen, Hochtechnologieunternehmen mit Weltpatenten angelegt, und – das Wichtigste: ihre Vermögenswerte und Besitztümer sind so gut getarnt und versteckt, dass die Erde schon atomar in die Steinzeit gebombt werden müsste, damit auch sie nur noch im letzten Hemd dastünden. Stattdessen plant diese exklusive Klasse schon den Umzug in eine Weltraumkolonie am Lagrange-Punkt L5 zwischen Erde und Mond, wie im US-amerikanischen Science-Fiction-Film Elysium (2013) angedeutet. Neben transhumanistischen ›Immortality-Projekten‹, von denen sie sich Unsterblichkeit erhoffen, finanzieren Angehörige dieser Schicht auch die Umsiedlung in den Weltraum mit Milliardensummen.
Hinter weitgehend verschlossenen Türen finden sich die Angehörige dieser Klasse in privaten Runden zusammen, um gegenseitig die eigenen Interessen zu sondieren und zu sortieren. In ›Tafelrunden‹, wie etwa in der 2015 von Lady Lynn Forester de Rothschild gegründeten ›Coalition for Inclusive Capitalism‹. Lady Lynn Forester de Rothschild ist geschäftsführende Gesellschafterin von ›Inclusive Capital Partners, L.P.‹, Mitglied u.a. des Council on Foreign Relations und persönliche Freundin von Bill und Hillary Clinton. Solche Sachverhalte müssen dann durch aufwändige Propaganda vernebelt werden. Eine typische Verschleierungskampagne ist in diesem Fall die Gründung des gemeinnützigen ›Council for Inclusive Capitalism with the Vatican‹ (CICV). Dieser Rat schloss 2020 eine »historische neue Partnerschaft« der Koalition mit dem damaligen römisch-katholischen Pontifex maximus Jorge Mario Bergoglio SJ (Papst Franziskus). Selbstverständlich stets mit altruistischen und philanthropischen Absichten sowie nachhaltigen und wertebasierten Geschäftsmodellen untermauert, die sich nach Selbstauskunft an »links-progressiven Prioritäten« orientieren. Die Mitglieder dieses Rates, die sich selbst als ›Wächter‹ (Guardians) bezeichnen, repräsentieren (Stand 2023) mehr als 10,5 Billionen US-Dollar an verwaltetem Vermögen, Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von über 2,1 Billionen US-Dollar und 200 Millionen Arbeitnehmern in über 163 Ländern. Der Papst hatte in dieser Runde die Funktion eines »Hauptberaters« und »moralischen Führers«. Dazu traf er sich jährlich mit den ›Wächtern‹. Daneben existiert als weiterer Interessenverein und Initiative das ›Embankment Project for Inclusive Capitalism‹ (EPIC), deren Mitglieder ein verwaltetes Vermögen (AUM) von fast 32 Billionen US-Dollar repräsentieren.
Die britische Tageszeitung ›The Guardian‹ bezeichnete den inklusiven Kapitalismus als ein »Trojanisches Pferd«, das von den Wirtschaftseliten organisiert würde, um den Status quo unter dem Vortäuschen progressiver Ideale aufrechtzuerhalten und die »kommende globale Revolte« im Voraus zu untergraben.
Fragwürdig ist dabei nicht der Reichtum solcher Personen. Fragwürdig ist nur, dass sich erstens dieser Reichtum – oft über Jahrhunderte hinweg – dynastisch verstetigt und akkumuliert. Und, dass zweitens, damit politische Macht erkauft wird, ohne durch einen fairen Wahlkampf und eine demokratische Wahl legitimiert zu sein.
In ihrer 2018 erschienen Studie »Billionaires and Stealth Politics« weisen die US-amerikanischen Politikwissenschaftler Benjamin I. Page, Jason Seawright und Matthew J. Lacombe nach, dass US-Millionäre ihren präferierten Politikern bzw. politischen Parteien pro Jahr durchschnittlich etwa 4.500 US-Dollar zuwenden. Milliardären ist diese Unterstützung im Schnitt sogar 500.000 US-Dollar jährlich wert. Die Autoren betonen, dass es sich bei diesen Summen lediglich um die offiziell gemeldeten Spenden handelt. Und weiter: 40 Prozent aller politischen Spenden kommen von den oberen 0,0001 Prozent der US-amerikanischen Gesellschaft (die aus zirka 335 Mio. Einwohnern besteht), also von weniger als tausend Multimillionären und Milliardären.
Diese Investments müssen sowohl abgesichert und realisiert als auch deren Erträge eingetrieben werden. Deshalb sind nach Krysmanski um diese oben skizzierte gesellschaftliche »Pyramidenspitze« (z.B. USA 2022: 725 Milliardäre und 22 Millionen Millionäre) herum mehrere Ringe von »Wagenburgen« aus Domestiken angeordnet, die ihr zuarbeiten, sie schützen und auch von ihr abhängen. Es sind dies:
- die, zumeist angestellten, globalen Konzerneliten (CEOs) aller Wirtschaftsbereiche, die für die Verwertung, Absicherung und Expansion des Kapitals verantwortlich sind;
- die parteipolitischen Funktionseliten, die aus der Sicht des Geldmachtapparats als politische Dienstklasse die Funktion der Verteilung des Reichtums von »unten« nach »oben« hat, und dieser Umverteilung durch Lobbyismus und Korruption nachhilft;
- die Schicht der dienenden Wissens-›Eliten‹, also Technokraten und Experten aller Art, kurz: die Ideologen und Propagandisten in den Medien, Instituten, Denkfabriken, NGOs usw. Seit Jahrzehnten wird dieser Sektor als eine Art zweiter öffentlicher Dienst geflutet von der Reservearmee des urban-akademischen Lumpenproletariats, die sich an den steuerfinanzierten Futtertrögen mästet, die mit den Erträgen der zahlenmäßig immer weiter abnehmenden Klasse der wertschöpfend Werktätigen gefüllt werden. Dieser Überschuss an Akademikern, die zum großen Teil nichts anbieten können, was auf einem freien Markt nachgefragt würde, sind u.a. das Ergebnis wiederholt gescheiterter Bildungsreformen.
Diese Klassen, insbesondere die zuletzt genannte, bilden den globalen, heils- und glaubens- sowie manipulationsindustriellen Propaganda- und Zensur-Komplex als hirnwaschenden Überbau der Macht- und Herrschaftssicherung sowie der Selbstbereicherung.
Der Klasse der sogenannten Wissens-›Eliten‹ (die der Reservearmee des urban-akademisches Lumpenproletariat entstammt) obliegt in diesem Spiel erstens die Aufgabe, Wirklichkeit so zu definieren, wie sie die von ihnen verachtete wertschöpfende Klasse der Werktätigen sehen soll. Und zweitens, die Durchsetzung politischer Weltbilder sowie die Implementierung erwünschter Geschichtserzählungen.
Ihre Hauptaufgabe besteht indessen darin, Handlungsmöglichkeiten einzugrenzen. Das heißt: diese Auftragsklasse entwickelt immer effizientere Technologien der Gehirnwäsche und informationellen, psychologischen, kognitiven Kriegsführung mit dem Ziel, dass gewisse (die weitgehend anonyme Geldmachtklasse gefährdende) Dinge nicht mehr gedacht werden. Insbesondere jedoch, dass gewissen Dinge – in Ermangelung spezifischen Hintergrundwissens – überhaupt nicht mehr gedacht werden können.
Die internationale Geldmachtklasse ist eine quantitativ kaum sichtbare Minderheit. Ihre Interessen stehen in einem scharfen Kontrast zu den Interessen der Bevölkerungen. Mit der Durchsetzung ihrer Interessen sind die drei genannten, abhängigen Dienstklassen beauftragt. Die aktivsten Teile dieser, in einem losen Verhältnis zur Geldmachtklasse stehenden Dienstklassen – Verwertungs-, Verteilungs- und Wissensklasse, bilden untereinander ein unsichtbares Netzwerk, das Insider als ›Tiefer Staat‹ bezeichnen. Der Begriff wurde ursprünglich in der Türkei (türkisch: ›derin devlet‹) verwendet für die offenkundige Tatsache einer über Jahrzehnte gewachsenen konspirativen Verflechtung von Militär, Geheimdiensten, Politik, Justiz, Verwaltung, Rechtsextremismus und Mafia (insbesondere Killerkommandos).
Die Angehörigen des Tiefen Staats vollziehen untereinander im oben, von Mills beschriebenen Drehtürenverfahren (›Revolving Door‹), den fliegenden Übergang von der einen zur anderen Seite hin und wieder zurück – und verfestigen dadurch nur ihr informelles Machtgefüge. Da wechseln stramme, bislang eher als Hinterbänkler bekannte Parteisoldaten ins Amt des Bundesverfassungsgerichtspräsidenten oder in das des Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz. Da wird die ausländische Geschäftsführerin einer internationalen NGO nach Schnelleinbürgerung verbeamtete Staatssekretärin im Auswärtigen Amt. Oder es lässt sich der Aufsichtsratsvorsitzende von BlackRock in Deutschland zum Bundesvorsitzenden und Vorsitzenden der Bundestagsfraktion einer einst konservativen Partei und anschließend zum Bundeskanzler wählen. Und so weiter. Da wird auch keine Scham empfunden, wenn sich die Funktionsträger des Bundeskabinetts mit denjenigen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wiederholt hinter verschlossenen Türen zum gemeinsamen Abendessen in Karlsruhe zwecks »Gedankenaustauschs« treffen.
Das alles sind die Merkmale des Tiefen Staats im Staate, mit ihrer zwar illegitimen, aber dennoch wirksamen »normativen Kraft des Faktischen«.
Das berüchtigte Beispiel einer Organisation des Tiefen Staats war die zwischen 1969 und 1982 unter der Chiffre P2 aktive italienische Geheimloge ›Propaganda Due‹. Sie war ein konspiratives Netzwerk aus Führungspersonen der Geheimdienste und der Polizei, des Militärs, der Wirtschaft, der Politik, der Mafia und der Kirche. Ihr Ziel war es, mit Mitteln der Subversion und des Terrorismus im Rahmen einer »Strategie der Spannung« sowie einer Strategie der Machtübernahme mithilfe der Massenmedien die Bedingungen für einen Staatsstreich vorzubereiten. Unter der Oberfläche einer ritualisierten Demokratie aus Parteien, Parlamenten, Kandidaten und gelegentlichen politischen Wahlen schufen die informellen Mitglieder eines solchen fast unsichtbaren zweiten Staates Fakten.
Während der gewöhnliche Bürger mit seiner gewöhnlichen Schul- und Hochschulbildung weiterhin naiv den Erzählungen von Gewaltenteilung und »allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen« anhängt, hat er von den Tatsachen hinter dem Scheinbaren keine Ahnung. Das scheint auch den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten (1980-1987/1990) Karl Weinhofer zu dem süffisanten Einwurf bewogen zu haben: »Die Menschen sind grob in drei Kategorien zu unterteilen: Die Wenigen, die dafür sorgen, dass etwas geschieht, die vielen, die zuschauen, wie etwas geschieht, und die überwältigende Mehrheit, die keine Ahnung hat, was überhaupt geschieht.«
Das Personal eines wie eben skizzierten Schattenstaats wurde und wird von niemandem gewählt. Aber es entscheidet, wer Karriere macht, oder wer stürzt, was die Bürger glauben sollen oder wen sie zu hassen haben. In einem formal rechtsstaatlich-demokratisch verfassten System wäre das eigentlich nicht widerspruchsfrei möglich. Um es dennoch zu ermöglichen, bedarf es der informationellen Kriegsführung, der Propaganda, der »Machtübernahme mithilfe der Massenmedien«.
Die »zweieinhalb Wohlstandsmodelle«
»Die Welt ist alles, was der Fall ist«, lautet der erste Satz in Ludwig Wittgensteins ›Tractatus logico-philosophicus‹. Um zu verstehen, was der Fall ist, muss man die Menschen verstehen. Insbesondere die Unterschiede zwischen den Menschen, ihre Charaktere, ihr stammesgeschichtlich festgelegtes Verhalten. Die Menschen halten sich – je nachdem – in zwei gegensätzlichen Wahrnehmungswelten auf: Die einen in der Illusion, die anderen in der Realität. Die Erstgenannten neigen dem Kollektivismus (politisch ›linkes‹ Spektrum), die Letztgenannten dem Individualismus (politisch ›rechtes‹ Spektrum) zu.
Der Mensch ist keine Black Box, die Sozialingenieure mit beliebigen Inhalten füllen und steuern können. Die Menschen sind verwurzelt und beheimatet in unterschiedlichen, ja vielfach gegensätzlichen Lebensentwürfen. Sie verfolgen – je nach Charakter – zwei unterschiedlich Modi Operandi, zwei unterschiedliche Wohlstandsmodelle des Lebens. Es gibt die zwei grundsätzlich verschiedenen Vorgehensweisen, in dieser Welt ein materiell möglichst mangelfreies Leben zu organisieren: Entweder durch Arbeit (Leistung) oder durch Raub (leistungslos).
Die zweite Option gebiert Personen, wie sie etwa in dem italienisch-französischen Spielfilm »Suburra – 7 Tage bis zur Apokalypse« gezeichnet wurden, denen es allein um Macht, leistungslose Einkommen und Vermögen geht: Korrupte Parlamentarier, bestechliche Beamte, perfide Finanziers, skrupellose Mafiapaten und Zigeunersippen, grausame ›Soldati‹ sowie scheinheilige Vatikanbankiers. Ein bösartiges Zusammenwirken von Staat, Politik, Wirtschaft, Kirche und organisierter Kriminalität.
Man muss also verstehen, welcher Menschentyp sich weshalb welchem Wohlstandsmodell (sog. sozioökonomisches Interaktionsprinzip) zuneigt. Mit welchem Motiv? Denn es ist nicht der Beruf, der sich den zu ihm passenden Menschen sucht, sondern es ist der Charakter, der die zu ihm passende wirtschaftliche Überlebensweise findet.
Jeder entscheidet sich irgendwann in seinem Leben für eine dieser beiden scharf gegensätzlichen Grundprinzipien der sozioökonomischen Interaktion. Zum einen für die des einvernehmlichen Tauschs und alles, was sich damit verbindet (also Eigentum durch Leistung und Arbeit). Oder, auf der anderen Seite, für die der Aneignung. Diese wiederum kann entweder betrügerisch erfolgen durch Diebstahl oder physisch-gewaltsam durch Raub. Also durch Gewalt, um im nicht gegenseitigen Einverständnis, sondern mit der Macht des Stärkeren.
Veranschaulichen lässt sich dieses Prinzip anhand der Schutzgelderpressung. Ihr Modus Operandi ist die physische Gewaltanwendung, Rücksichtslosigkeit und Ichsucht. In politischen Zusammenhängen auch als Hard power bezeichnet. In diesem Fall wird das Zielobjekt (Opfer) durch einen Angreifer (Täter) mit Gewalt gezwungen, für den gewährten »Schutz« (unabhängig, ob dieser benötigt wird oder nicht) eine regelmäßige, durch Arbeit erwirtschaftete Leistung – in der Regel Geld – zu erbringen. Verortet wird diese Art der sozioökonomischen Interaktion landläufig in der Sphäre der organisierten Kriminalität. Dieser sozialen Gruppe gehören gewöhnliche Kriminelle und organisierte Verbrechensindustrien an, wie z.B. die Camorra, ‘Ndrangheta, Cosa Nostra oder ›Kosher Nostra‹, die Triaden oder Yakuza. Aber auch Warlords und wirtschaftskriminelle Oligarchen (korrupte Privatisierungsprofiteure) der postsowjetischen Ära. Auch die (zwangsweise) Symbiose zwischen den vorüberziehenden Handelskarawanen im alten Arabien und Karawanenräubern, die damit ihren Lebensunterhalt sicherten, deutet in diese Richtung. Wenn auch die Kleptokratie (Herrschaft der Räuber) als eine Extremform staatlicher Organisation gilt, bei der die Herrschenden auf Kosten der Beherrschten leben, so bildet sie dennoch keine Ausnahme, sondern eher einen Normalzustand. Indessen es Staaten gibt, die für das erpresste Schutzgeld eine Gegenleistung gewähren, während andere sie ihren Bürgern weitgehend verwehren.
Der paläo-libertäre deutsche Professor für Volkswirtschaft Hans-Hermann Hoppe führt in seinem Buch »Der Wettbewerb der Gauner. Über das Unwesen der Demokratie und den Ausweg in die Privatrechtsgesellschaft« (2012) aus, dass durch Massenwahlen eine institutionalisierte Kleptokratie begünstigt werde, die »kaum oder keine Hemmungen« habe, »das Eigentum anderer Menschen zu entwenden«. Womit sich der Kreis wiederum zu den oben genannten Klassen schließt, zur neofeudal-globalen Geldmachtklasse und ihren privilegierten Dienstklassen, deren Lebensmodelle sich entweder auf Diebstahl oder auf Raub gründen.
Auch der größte Teil der Angehörigen des neofeudalen globalen Geldmachtapparats (Geldklasse) sowie ihrer Dienstleistungsklassen – also die Verwertungs-, Verteilungs- und Wissensklassen – zeichnen sich im Wesentlichen aus durch Aneignung mittels Diebstahls. Das von ihnen angewandte Machtprinzip der Soft power zielt darauf, Herrschaft möglichst unsichtbar durchzusetzen. Statt Gewalt bedienen sie sich der Propaganda und Manipulation, zunehmend jedoch der perfiden Methoden der juristischen Kriegsführung (Lawfare) zur Umsetzung ihrer Herrschafts- und Machtinteressen. Das Gros dieses Bevölkerungsanteils umfasst an der Spitze einerseits die ›Masters of the Universe‹ des zumeist angloamerikanischen Finanzkapitalismus und in der Ebene andererseits ihre weltweiten Domestiken: CEOs, Parteipolitiker, Staatsbeamte und die heterogene Reservearmee des urban-akademischen Lumpenproletariats.
Im Wesentlichen ist es die zunehmend schrumpfende Mittelschicht der wertschöpfend Werktätigen, die ihr Leben auf der Grundlage des Tauschs (d.h. von Leistung und Arbeit) fristet. Den einen ist an der Finanzierung ihres Lebensstils gelegen, den anderen an der bedingungslosen Vollstreckung ihrer Zinsansprüche. Für beides kann nur der Bürger aufkommen, der privat mehr erwirtschaftet als er öffentlich kostet! Der von ihm erzeugte Mehrwert wird durch sogenannte Steuern so beschlagnahmt, dass immer weniger für ihn selbst und immer mehr für den [parasitären] Staat und seine Nettostaatsprofiteure übrigbleibt.
»Gesellschaften zerstören sich selbst, wenn in ihnen parasitäre Eliten entstehen, also Eliten, die den Ertrag der arbeitenden Bevölkerung weitgehend abschöpfen und deren ganze Lebensform darauf beruht, dass sie den Ertrag der anderen verbrauchen«, schrieb Rainer Mausfeld in seinem Buch Hybris und Nemesis.
Dienstleistungsklasse mit Eigennutz
Hans-Hermann Hoppe (siehe oben) führt in seinem Buch »Der Wettbewerb der Gauner. Über das Unwesen der Demokratie und den Ausweg in die Privatrechtsgesellschaft« (2012) aus: »(…) eine Minderheit kann eine Mehrheit nicht dauerhaft mit roher Gewalt regieren. Sie muss durch ›Meinung‹ regieren. Die Mehrheit der Bevölkerung muss dazu gebracht werden, (…) Herrschaft freiwillig zu akzeptieren. Das heißt nicht, dass die Mehrheit allen (…) Maßnahmen zustimmen muss. Sie kann durchaus glauben, dass viele (…) Handlungen falsch sind. Sie muss jedoch an die Legitimität der Institution des Staates an sich glauben. […] Wie jedoch kann man die Mehrheit davon überzeugen, dies zu glauben? Die Antwort lautet: Mit Hilfe der Intellektuellen.« Woraus sich wiederum die Frage ergibt: »Wie bringen Sie die Intellektuellen dazu, für Sie zu arbeiten?« Hoppe liefert die Begründung: »Die Marktnachfrage nach intellektuellen Dienstleistungen ist nicht gerade hoch und stabil. Intellektuelle wären abhängig von den flüchtigen Werten der Massen. Und die Massen sind an intellektuell-philosophischen Überlegungen nicht interessiert. Andererseits kann der Staat dem üblicherweise aufgeblasenen Ego der Intellektuellen entgegenkommen und ihnen in seinem Apparat einen warmen, sicheren und dauerhaften Liegeplatz anbieten.«
Intellektuelle sind seit jeher von maßgeblicher Bedeutung für die agit-propagandistische Herrschafts- und Machtabsicherung. Allerdings profitieren sie als Herrschaftsdienstleister aus einem verständlichen Eigennutz unmittelbar von ihrer eigenen Propaganda. Obwohl sie einerseits im Herrschaftsapparat unverzichtbar sind, stellen sie andererseits zugleich auch ein Gefahrenpotenzial dar. Denn die in Fachbereichen wie Philosophie, Sozial- und Geisteswissenschaften Tätigen »können sich offensichtlich eigene Gedanken machen und somit gefährlich werden« (Hoppe). Es sei daher wichtig, deren Treue zu den Herrschenden und zum Staat sicherzustellen sowie ihre Ideen einzuhegen.
Der deutsche Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen erklärt, dass sich deshalb der Parteienstaat [als Verteilungsmacht der Geldmachtklasse; d. Autor] und die von ihm geschaffenen Institutionen auf ein intellektuelles Prekariat (hier »urban-akademisches Lumpenproletariat« genannt) stützten, »das um bezahlte Posten in Redaktionen, Universitäten und NGOs buhlt (…). Themen und Moral werden von oben vorgegeben und mit Geld unterfüttert. Forschungstöpfe, Stipendien, Stellen, manchmal sogar unbefristet. Man muss sich dazu nur die Forschungsprogramme anschauen, die unter Begriffen wie Demokratie, Migration oder Integration laufen, und die vielen Beauftragten, die überall installiert worden sind, wahlweise zuständig für Ausländer, Diskriminierung, Rassismus, Frauen, Queer, Lesben, Schwule, Behinderung, Antisemitismus, Antiziganismus, Klima, Nachhaltigkeit. Was macht so jemand den ganzen Tag?« Und weiter: »Solche Leute brauchen Leitmedienpräsenz oder wenigstens Plattformreichweite, um die eigene Existenz zu rechtfertigen.«
Meyen: »Man sieht dort [Anm.: in den angesagten Großstadtvierteln] Menschen, die oft keinen festen Job haben und gar nicht sehr viel Geld, immer auf dem Sprung zwischen zwei Aufträgen oder zwei Projekten. Menschen, die unter sich bleiben und ins Bodenlose fallen würden, wenn sie plötzlich von ihrer Hände Arbeit leben müssten oder gar ihr Digitalprofil verlieren würden. Der Staat ist hier inzwischen die erste Anlaufstelle, wenn es ums Geldverdienen geht.«
So, wie sich in den Wirtschaftswunderjahren um die Innenstädte herum einkommensstarke Speckgürtel bildeten, die von der Infrastruktur der jeweiligen Kernstadt profitierten, so wuchert auch um den Staat herum ein Speckgürtel marktunfähiger Sozialindustrien (NGOs), die von staatlichen Unterhaltszahlungen (z.B. Steuern, Rundfunkbeitrag), Spenden und Zuwendungen von Philanthropen und Milliardärs-Stiftungen leben. Industrien mit vordergründig humanitären Anliegen, wie z.B. die Öko-, Klima-, Sozial-, Arbeits-, Migrations-, Asyl-, Seenotretter-, Integrations- und Gegen-rechts-Industrie. Wer würde aber in einem freien Markt, in dem sich Nachfrage und Angebote im freien Austausch gegenüberstehen, für Berufe wie Aktivist*in (pronomen: he/they), Bildungsaktivist*in, Klimaaktivist*in, Vielfaltsreferent*in, Diversity-Manager*in, Chief Diversity & Inclusion Officer, Drag Artist, Drag Queen, Poetry Slammer*in, Kulturwissenschaftler*in, Koordinator*in für das Kompetenznetzwerk Rechtsextremismusprävention, Rechtsextremismusbeauftragte*r, Rechtsextremismusexpert*in, Seenot-Retter … usw. freiwillig bezahlen? Oder für Dienstleistungen wie Postcolonial Studies, Critical Whiteness Studies, Disability Studies, Queer Studies, Gender Studies usw. usf.
Als typische »Tax-Eater« leben Inhaber dieser Scheintätigkeiten ausschließlich für und von sozialstaatlichen Betreuungs- und Reparaturaufträgen, deren Ursachen sie meistens selbst oder die von ihnen unterstützten politischen Kreise geschaffen haben. Es ist eine gigantische Sozialingenieursapparatur, deren Propaganda dazu dient, das Verhalten von Menschen und die Ergebnisse ihres Handelns zu ihren Gunsten zu ändern.
Ebenso verhält es sich mit dem »menschengemachten Klimawandel« als beruflichem Betätigungsfeld. Unabhängig davon, ob es sich überhaupt um ein so bedeutsames, ja lebensbedrohliches Geschehen wie behauptet handelt sowie unabhängig von der Wirksamkeit der als zwingend beschriebenen Gegenmaßnahmen, wurde er für viele Menschen zu einem profitablen Geschäftsmodell. Akademiker aller Disziplinen stehen Schlange im Buhlen um Fördergelder, Drittmittel und Festanstellungen. Die Klimaforschung wurde zur Bühne von Soziologen, Biologen, Literaturprofessoren, Dozenten für Geschlechterforschung und so weiter. Sie alle wissen, dass nur dann zuverlässig Geld fließt, wenn in ihren Studien – und seien sie noch so abseitig, absurd und sinnlos, irgendein Bezug »zum Klima« hergestellt werden kann. Hunderttausende grüner Jobs hängen vom Glauben an eine Krise des Klimas ab. Beispielsweise solche wie Chief Sustainability Officer, ESG-Berater, Berater für CO2-Ausgleich, Anwälte für Klima-Compliance, Klimabeauftragte, Umwelt- und Klimajournalisten – und jeden Tag entsteht eine neue Tätigkeitsbeschreibung. Sie alle geben vor, eine Krise zu bekämpfen, die diesen Alarmismus nicht rechtfertigt. Deshalb wird mit Höchststrafe verurteilt, wer das »Klima-Narrativ« hinterfragt bzw. in Frage stellt. Alle diese Bullshit Jobs, alle Subventionen, alle Förder- und Steuergelder, alle Investitionen, die in diesen Bereich fließen, stehen oder fallen mit der Rechtfertigung einer Klimakatastrophe. – In dieser Selbstsucht entlarvt sich die ethische Rücksichtslosigkeit und Verderbtheit der Klimaagenda. Hinter dem hysterischen Geschwätz von Klimakrise usw. verbirgt sich eine Animosität und Feindseligkeit gegenüber dem Lebensstil und den Überzeugungen der Mehrheitsbevölkerung, der werktätig wertschöpfenden Klassen. Diese wiederum hegen den Verdacht oder teilen die Erkenntnis, dass der menschengemachte Klimawandel eine übertriebene Angstmacherei sei, angetrieben von Eigennutz und Snobismus, zynisch gefördert durch ein parasitäres, öffentlich finanziertes Establishment, das nach immer mehr Geld und Macht giert. Es ist ein Angriff auf die Freiheit und den Wohlstand der überwältigenden Bevölkerungsmehrheit.
Doch das ist nicht alles. Diejenigen, die ebenso wenig zur Wertschöpfung beitragen sind die eigentlichen Spinnen im Netz des Ganzen: die politische und die pensionsberechtigte Klasse des Berufsbeamtentums, die weisungsgebundenen Staatsanwälte sowie die auch in eigener Sache Recht sprechende, vom tributpflichtigen Bürger alimentierte Richterschaft. Es ist eine kafkaeske Beamtenmaschinerie im Streben nach größter Selbstbereicherung bei gleichzeitig geringstem Risiko. Nicht zufällig heißt es in Paragraf 3 der deutschen Abgabenordnung unmissverständlich: »Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen (…)«.
Hans-Hermann Hoppe schreibt: »Als staatliche Funktionsträger dürfen Personen Handlungen durchführen, die ihnen als bloßen Privatpersonen strikt – als kriminell – untersagt sind. Insbesondere dürfen ›öffentlich Bedienstete‹ ihre eigene Tätigkeit durch Steuern finanzieren oder subventionieren. Das heißt, sie müssen ihr Einkommen nicht, wie bei Privatrechtssubjekten der Fall, durch den Verkauf von Gütern oder Dienstleistungen erzielen, für die es freiwillig zahlende Abnehmer gibt, sondern sie dürfen einseitig auferlegte Zwangsabgaben erheben. Kurz: Sie dürfen als Staatsbedienstete das tun und davon leben, was im normalen Privatrechtsverkehr als Diebstahl und Diebesbeute gilt.«
Alle technokratischen Bürokratien erreichen in ihrem Lebenszyklus einen Punkt, ab dem ihre primäre Funktion im bloßen Selbsterhalt und in ihrer eigenen Perpetuierung besteht, anstatt im Dienst zugunsten ihrer Auftraggeber (z.B. die Staatsbürger als Souverän). Es besteht ein innerlicher, unaufhörlicher Wachstumszwang. Die Institutionen werden zu groß, zu mächtig, zu monopolistisch und verlieren in ihrer eigenen Überdehnung dabei jedes Augenmaß.
Der Propagandaforscher und PR-Erfinder Edward Bernays beschrieb die Bevölkerung als eine »Herde, die geführt werden muss«. Er wich dabei nie von seinem wichtigsten Grundprinzip ab, nämlich »die ›Massen‹, ohne ihr Wissen zu kontrollieren«. Die beste PR sei erreicht, wenn die Leute nicht bemerken, dass und wie sie beeinflusst werden.
Es wundert nicht, wenn moderne Denkfabriken wie die deutsche Bertelsmann-Stiftung einem ähnlichen Geist huldigen. So lieferte sie in einem Dossier der Reihe »Zukunft Regieren« (Nummer 3/2009) unter dem Titel »Die Kunst des Reformierens« eine Anleitung, wie sich sogenannte Reformen auch gegen den Willen der Bürger und Betroffenen durchsetzen lassen. Darin heißt es, Regierungen dürften sich von »Vetospielern« nicht die Handlungsspielräume einengen lassen. Besonderes Augenmerk widmete die Studie deshalb der Schwächung von »Widerstandspotential«, das durch einen »geschickten Partizipationsstil« (…) »aufzubrechen« sei. Konkret bedeutet dies die Spaltung der Opposition, indem man die einen beteiligt, die anderen benachteiligt, »um so eine potenziell geschlossene Abwehrfront zu verhindern«. Zitat: »Durch eine selektive Partizipation während der Entscheidungsphase können Vetospieler in ihrer Kohärenz geschwächt, sozusagen ›gesplittet‹, und die Protestfähigkeit bestimmter Interessensgruppen gemindert werden«. Diese Zersetzungsmaßnahmen gegenüber nicht zustimmungswilligen Bürgern und Beteiligten, nach dem uralten Prinzip »teile und herrsche«, findet die Bertelsmann-Stiftung »nur auf den ersten Blick« bedenklich. Schließlich müsse sich »eine Regierung im Zweifelsfall auch gegen den empirischen und kontingenten [d.h. zufälligen] Volkswillen durchsetzen«.
Gemäß dieser Logik wird dann gegen das Verhalten der »Vetospieler«, also dem von systemkritisch oder oppositionell eingestellten Bürgern, die etwa für eine Beschränkung der Staatsmacht eintreten, die »Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates« aus dem Propagandahut gezaubert.
Für die in der Realwirtschaft verankerte wertschöpfend-werktätige Klasse erweist sich mithin der Dienstbotenkomplex des »urban-akademischen Lumpenproletariats« nicht nur als der wirkliche, sondern als der absolute Feind. Denn neben ihrem Auftrag für die 0,1 Prozent der Super-, Ultra-, Mega- und Hyperreichen verfolgen die Angehörigen des urban-akademischen Lumpenproletariats im Wesentlichen eine Ideologieproduktion für sich selbst – aus parasitärem Eigeninteresse. Die Kluft zwischen der Klasse des bildungsfernen urban-akademischen Lumpenproletariats (nehmende Hand) und der wertschöpfenden Klasse der Werktätigen (gebende Hand) wird zunehmend unüberbrückbar.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Problem, das die wertschöpfend Werktätigen manipulieren möchte, nicht auf den Namen Lieschen Müller hört, sondern auf den Namen Dr. Lieschen Müller.
Hier zeigt sich: Eine Klasse selbstsüchtiger Staats-Existenzen hat den Restbeständen der wertschöpfenden Klasseª den Krieg erklärt. Getrieben und angeführt wird diese parasitäre Klasse oft von sogenannten Intellektuellen, die nichts weiter sind als eine Reservearmee des urban-akademischen Lumpenproletariats.
ªNettosteuerzahler wie z.B. Facharbeiter, Angestellte, Handwerker und Landwirte, Gewerbetreibende, Unternehmer. Unter den knapp 83,6 Millionen Menschen, die (Stand 31.12.2024) in Deutschland leben, sind rund 46 Millionen erwerbstätig. Die Gruppe der Nettosteuerzahler, also der Erwerbstätigen, die – vereinfacht gerechnet – mehr Steuern und Abgaben einzahlen, als sie an staatlichen Leistungen und Transfers erhalten, umfasst etwa 15 Millionen Personen. Daneben gibt es rund zwölf Millionen Staatsbedienstete, also Menschen, die direkt oder indirekt vom Staat abhängig sind und von den Steuern und Abgaben der Nettosteuerzahler alimentiert werden.
Weshalb wird hier auf den Marx-Engels-Begriff des Lumpenproletariats rekurriert?
Der Begriff Lumpenproletariat findet sich in den Marx-Engels-Werken (MEW) knapp hundertmal¹ in rund 50 Dokumenten. Obwohl die wesentlichen Deutungen auf Karl Marx zurückgehen, tauchte der Begriff sowohl erstmalig im August 1846 als auch letztmalig im Dezember 1890 jeweils bei Friedrich Engels auf. Karl Marx, der das Lumpenproletariat moralisch, nicht ökonomisch oder klassentheoretisch zeichnete, beschimpfte es² als »verkommene und abenteuerliche Ableger der Bourgeoisie, (…) Vagabunden, (…) Tagediebe, (…) Bordellhalter, (…) Literaten, (…) die die Franzosen la bohème nennen …«. Friedrich Engels war sich indessen sicher: »Dies Gesindel ist absolut käuflich und absolut zudringlich«³. Karl Marx wiederum führte dazu näher⁴ aus: [Das Lumpenproletariat], »das in allen großen Städten eine vom industriellen Proletariat genau unterschiedene Masse bildet, ist ein Rekrutierplatz für Diebe und Verbrecher aller Art, von den Abfällen der Gesellschaft lebend, Leute ohne bestimmten Arbeitszweig, Herumtreiber, dunkle Existenzen, verschieden nach dem Bildungsgrad der Nation, der sie angehören, nie den Tagediebcharakter verleugnend; …«. Allerdings beschränkte er diese Zuschreibung nicht auf die »untersten Schichten der alten Gesellschaft³«, sondern erweiterte sie auf den »Abhub der verkommenen Subjekte aller Klassen⁵«. Auch Spekulanten, Adelige, Neureiche und Journalisten wurden so bezeichnet und der spätere französische Kaiser Napoleon III. zum »Chef des Lumpenproletariats« ernannt. Als gemeinsamen Nenner des Lumpenproletariats, gleich welcher Herkunft, machten Marx und Engels den Umstand aus, dass es im Gegensatz zum Proletariat keiner produktiven Arbeit nachgehe. Vielmehr sei sein Verhältnis zur Gesellschaft parasitär, da es sich von deren produktiven Erträgen erhalte. Diese Einschätzung wurde auch später noch von kommunistischen Vorbildern wie Antonio Gramsci oder Rosa Luxemburg geteilt.
¹Verkommen oder revolutionär? OXI – Wirtschaft anders denken, online (aus: OXI 3/22), 01.04.2022, https://oxiblog.de/lumpenproletariat-verkommen-oder-revolutionaer/.
²Karl Marx, 18. Brumaire, MEW 8, 160f.
³Friedrich Engels, Bauernkrieg, MEW 7, 536.
⁴Karl Marx, Klassenkämpfe 1848–1850, MEW 7, 26.
⁵Karl Marx und Friedrich Engels, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 472.
², ³, ⁴, ⁵Karl-Marx-Forum, https://www.marx-forum.de/marx-lexikon/lexikon_l/lumpen.html.
Während diese eigensüchtig sich selbst bereichernde Klasse über ein ausgebildetes Klassenbewusstsein verfügt, fehlt dies der wertschöpfenden Klasse vollständig. Die intellektuelle Klasse erreicht nicht unbedingt die breite Öffentlichkeit, aber sie beeinflusst Meinungsführer und diktiert die ideologischen Leidenschaften innerhalb einer städtischen und akademischen Soziologie, die einen kulturellen und politischen Einfluss ausübt, der in keinem Verhältnis zu ihrem Gewicht in der Bevölkerung steht. Sie hat es nicht nur nie gelernt, sondern verabscheut es geradezu, ihr Geld unter Marktbedingungen zu verdienen. Sie lindert aufgrund ihrer ideologischen Verblendung, ihrer fehlerhaften Prognosen und manipulativen Propaganda nicht das Leid der Menschen, sondern vergrößert es – oft vorsätzlich. Und meistens nur zum eigenen Nutzen.
In seinem am 09.04.2025 in der Edition L’Observatoire erschienenen Buch »Pourquoi les intellectuels se trompent« (Warum sich Intellektuelle irren) untersucht der französische Essayist Samuel Fitoussi die sozialen, kulturellen und kognitiven Mechanismen, die Intellektuelle zur Blindheit führen, nicht selten zum Nachteil der Gesellschaft, die sie angeblich aufklären wollen, und der sie sich überlegen fühlen. In seinem Werk erklärt er, weshalb Intellektuelle als eine Teilmenge der o.g. Staatsklasse, so oft Unrecht haben. Und sich dennoch unablässig der wertschöpfenden Klasse gegenüber als Avantgarde dünken. Fitoussi verweist auf eine Feststellung George Orwells, der einst schrieb: »Gewisse Ideen sind derartig absurd, dass nur die Intellektuellen daran glauben können«. Fitoussi behauptet nicht, dass Intellektuelle immer Unrecht haben, sondern fragt: Warum tun sie es mit solcher Meisterschaft, wenn sie Unrecht haben?
Fitoussi charakterisiert den ordinären Intellektuellen als ein Individuum, dessen Arbeit im Bereich der Ideen beginnt und endet. Der Intellektuelle sei daher derjenige, der nicht unter den direkten Folgen seiner Fehler leide. Anders als ein Unternehmer, dessen Firma Pleite gehen könne, anders als der Bäcker, der seine Kunden verlöre, wenn sein Brot schlecht ist, oder ein Pilot, der bei einem Fehler seine eigene Haut und die seiner Passagiere riskiere, kann der Intellektuelle Fehler begehen, ohne dafür bestraft zu werden. Doch überall dort, wo der Fehler kein Preisschild trage, finde die Irrationalität einen fruchtbaren Boden. Es ist der direkte Weg in die Verantwortungslosigkeit, die kein Vertreter der parasitären Klasse zu übernehmen bereit ist: Politiker nicht, Professoren nicht, Beamte, Richter und Staatsanwälte erst recht nicht! Keines von ihnen hat noch »skin in the game«. Stattdessen überdurchschnittlich hohe Einkommen und Pensionen.
Es sind insbesondere die Juristen (Richter) als Unterklasse des Intellektuellen, die par excellence diejenigen repräsentieren, die – egal wie sie entscheiden, die schädlichen Folgen ihrer Entscheidungen nicht tragen müssen. Beispiel: Mit seinem Urteil vom 04.10.2024 hat der EuGH (Europäischer Gerichtshof) aufgrund der extremen Scharia-Auslegung durch die Taliban entschieden, dass allen afghanischen Frauen, die in Europa Schutz suchen, dieser Schutz auch zu gestatten sei. Das Urteil bedeutet: Deutschland müsste, gemäß der aktuell verfügbaren Bevölkerungsdaten, rund 21,5 Millionen afghanischen Frauen, wenn sie an der Grenze stünden und Asyl begehrten, grundsätzlich die Flüchtlingseigenschaft gewähren. Hier zeigt sich, dass es eine mächtige Klasse gibt, die der Verabsolutierung formaler Prinzipien wegen, die praktische Durchführbarkeit ihrer Urteile völlig ignoriert und die Bevölkerung auf den Kosten (einschl. Opportunitätskosten) sitzen lässt. Unüberschaubar auch die Anzahl von Urteilen, bei denen Beschuldigte infolge richterlicher oder psychiatrischer Fehleinschätzungen freikamen, um bald danach schwere Straftaten bis hin zum Mord zu begehen. Und so weiter, und so fort. Kein Richter wurde je dafür zur Rechenschaft gezogen. Aber: »Wenn die Resultate falsch sind, können die Regeln [d.h., »die Gesetze/Urteile«, Anm. des Autors] nicht richtig sein« (siehe: Urbaniok, Schattenseiten der Migration). Es war der Rechtsanwalt und Schriftsteller Ludwig Thoma, der bereits 1901 den Genotyp des gemeinen Juristen präzise skizzierte: »Der königliche Landgerichtsrat Alois Eschenberger war ein guter Jurist und auch sonst von mäßigem Verstande. Er kümmerte sich nicht um das Wesen der Dinge, sondern ausschließlich darum, unter welchen rechtlichen Begriff dieselben zu subsummieren waren. (…) Er bekam im Staatsexamen einen Brucheinser und damit für jede Dummheit einen Freibrief …« (aus: Der Vertrag).
Eine weitere der von Fitoussi aufgestellten Hypothesen bescheinigt den Intellektuellen eine Neigung zur Enttäuschung über die liberalen Demokratien, was geradewegs zum Rousseau‘schen Absolutheitsglauben führt. Denn oft scheint es, die meisten (linken) Intellektuellen seien Wiedergänger des Genfer Philosophen³. Kritikern gilt Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) als »Erfinder« des neuzeitlichen Sozialismus »und des falschen Glaubens an die Existenz einer absoluten Gerechtigkeit und Gleichheit (…)«. Für Rousseau ist der Mensch an sich gut. Und es ist die Gesellschaft, die Schuld an seinem moralischen Verfall hat. Dieser Absolutheitsglaube mündete und mündet schließlich in den Massenverbrechen, die im Namen des Sozialismus, des Marxismus, Leninismus, Stalinismus, Maoismus, Ökosozialismus usw. begangen wurden – und werden.
Nach diesem Muster verfahren die (noch) meinungsbildenden Klassen in den Universitäten, den Massenmedien, der Parteipolitik und den NGOs. Das Versprechen einer »sozialen Gerechtigkeit« als in der Zukunft beheimateter Idealzustand (»Paradies«) ist das Perpetuum Mobile denkfauler und ideenarmer Politiker. Mit dieser Herrschaftstechnik blenden sie einfältige Wähler, wohl wissend, dass aufgrund der milliardenfachen Unterschiedlichkeit der Menschen nie ein Zustand von Gleichheit, d.h. von Ergebnisgleichheit gewährleistet werden kann. Aber es bietet ihnen ein Spektrum unaufhörlicher Scheinaktivitäten. Ebenso ist das Klimanarrativ ein noch hinterhältigeres Herrschaftsinstrument, da es dem Staat erlaubt, in die privatesten Bereiche der Menschen einzudringen und diese zu reglementieren.
Unter diesen Bedingungen hat sich der politische Willensbildungsprozess in ein heimtückisches Procedere nicht gewählter und durch den Wahlbürger nicht legitimierter »Aktivisten« gewandelt und das, was einst (repräsentative) Demokratie hieß, ausgehebelt. Im Zusammenwirken von parteipolitisch finanzierten NGOs und einer in Teilen extremistisch gesinnten Justiz, wird regelmäßig der Mehrheitswille der Bevölkerung untergraben und gebrochen. Die Sachverhalte, die bei Wahlen oder im Parlament nicht durchsetzbar sind, werden durch ein abgekartetes Spiel zwischen klagenden NGOs, unterstützend-manipulierenden Medien und aktivistisch gesinnten Juristen in Urteile gegossen, denen die Politik meistens aus Furcht vor medialen Shitstorms bereitwillig folgt, obwohl sie es nicht müsste.
So steht die Nichtregierungsorganisation (NGO) Pro Asyl für solche Inszenierungen in der Kritik, weil sie drei Somaliern Anfang Mai 2025 bei der Einreise geholfen haben soll. Die zwei männlichen Migranten sowie ihre angeblich minderjährige Begleiterin hatten drei Einreiseversuche an der deutsch-polnischen Grenze unternommen und wurden jeweils von der Bundespolizei in Frankfurt (Oder) abgewiesen. Alle drei führten überdies keine Identitätsnachweise mit sich. Indizien sprechen dafür, dass Pro Asyl dann mindestens eine Kontaktperson in Polen beauftragte, die Somalier zu unterstützen. Denn bei ihrem letzten Versuch am 09.05.2025 stellten die drei plötzlich ein Asylgesuch, außerdem sei die weibliche Person minderjährig, wie eine offensichtlich gefälschte, als Kopie vorgelegte Geburtsurkunde unterstellte. Weder hatten sie bei den beiden Versuchen am 02. und am 03.05. Asyl begehrt noch eine Geburtsurkunde gezeigt. Daraufhin sollen sie von einer polnischen NGO in einem Hotel untergebracht und von einer Anwältin von Pro Asyl beraten worden sein. Nachdem sie zum dritten Mal abgewiesen wurden, reichten sie Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin ein – mit vollständig ausgefüllten Papieren.
Überraschenderweise fand das Verfahren nicht in Frankfurt (Oder) statt, sondern beim Verwaltungsgericht in Berlin. Denn am 15.05.2025 hatte sich das Frankfurter Verwaltungsgericht für die Klage als nicht zuständig erklärt. In Berlin landete das Verfahren auf dem Schreibtisch des einschlägig aktivistisch bekannten Richters Dr. Florian von Alemann, dem Vorsitzenden der 6. Kammer, der auffällige Verbindungen zur Partei Bündnis 90/Die Grünen hält. Nebenbei: Die Zuständigkeit der 6. Kammer für diesen Fall ist umstritten. Das Gericht fasste am 02.06.2025 einen vorläufigen Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz und gab den Somaliern recht. Wie zahllose ähnlich gelagerte Vorgänge und Urteile stellen sich inzwischen massive Fragen zur Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter.
Es wird zunehmend deutlicher, wie ein weitgehend vereinigter Politik-, Universitäts-, Medien- und NGO-Komplex, verbündet mit den Kirchen, direkt das Recht und indirekt den Mehrheitswillen der Bevölkerung sabotieren. Gerade die Kirchen zählen zu den größten Nutznießern des migrationsindustriellen Komplexes. Allein Caritas und Diakonie bekommen für ihre Migrations-/Flüchtlingsarbeit mindestens 200 Millionen Euro Steuerzahlergeld jährlich vom Umverteilungsstaat geschenkt. Sie danken es den Steuerzahlern damit, dass sie abgelehnten, meistens muslimischen Asylbewerbern oder Abzuschiebenden durch Täuschen und Tricksen zum »Kirchenasyl« verhelfen, indem diese plötzlich zum Christentum konvertieren. Der Glaubenswechsel, wie verlogen er auch sein mag, wird dann von deutschen Behörden häufig als Ausweisungs- oder Rücküberstellungshindernis gewertet. Inzwischen haben auch einige Medien erkannt, dass das »Kirchenasyl« den Rechtsstaat untergräbt. Solche Fälle gebe es tausendfach, heißt es. Und auch: »Die Kirche steht nicht über dem Recht.« Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Alexander Throm, sagte der Berliner Zeitung: »Humanitäres Engagement der Kirchen verdient Respekt, aber über Asyl entscheidet allein der Rechtsstaat«.
Passend dazu die Enthüllungen der Zeitungen De Telegraaf sowie Welt und Welt am Sonntag. Ihren Recherchen zufolge hat die durch keine Wahlen demokratisch legitimierte EU-Kommission Förderverträge in Höhe von Millionen Euro an Steuergeldern mit Umwelt-NGOs geschlossen, damit diese unter anderem gegen deutsche Unternehmen klagen können. Offensiv, auch zum Schaden Deutschlands, soll mit aller Gewalt, die irrationale und umweltzerstörerische »Klimapolitik« (Green Deal) durchgeboxt werden. Teilweise sind die Anweisungen und Erwartungen an die Organisationen verschriftlicht und klar festgehalten. Beispielsweise wurden Betreiber von Kohlekraftwerken gezielt in Rechtsstreitigkeiten verwickelt, um ihr »finanzielles und rechtliches Risiko« zu erhöhen.
Diese Beispiele zeigen die häufig zu beobachtende Skrupellosigkeit von Intellektuellen, Bürokraten, Politikern, Richtern und Staatsanwälten sowie parasitären »Aktivisten«. Während ihr Engagement bestenfalls vorgeschoben ist, verbirgt sich – neben dem Machtmotiv, der wahre Grund ihres Tuns im Willen, ungehindert auf die von der wertschöpfenden Klasse erwirtschafteten Steuern zugreifen zu können. Ihre aufgeblähte Moral bietet unter der Oberfläche nichts weiter als das Eigeninteresse an einem lebenslangen leistungslosen Einkommen.
Angesichts der geschilderten Herausforderungen plädiert Fitoussi dafür, die Rolle der Intellektuellen neu zu definieren. Anstatt zu versuchen, Wahrheiten aufzuzwingen, sollten sie Debatten, Nuancen und Bescheidenheit fördern. Ihre Mission solle nicht darin bestehen, die Massen zu leiten, sondern die richtigen Fragen zu stellen, auch wenn diese verstörend sind. Dieser Weg sei zwar beschwerlich, aber der einzige Weg, der die Intellektuellen mit ihrer Hauptaufgabe in Einklang bringen kann: aufzuklären, statt in die Irre zu führen. »Indem wir kritisches Denken fördern, Mut wertschätzen und Unsicherheiten akzeptieren, können wir die Fallstricke der Vergangenheit vermeiden.«
Die von Fitoussi angestoßene Debatte ist nicht bloß eine Kritik: Sie ist ein Aufruf zur Wachsamkeit. »In einer Welt, in der Ideen die Zukunft gestalten, ist es die Pflicht von uns allen – Intellektuellen wie Nicht-Intellektuellen, die Wahrheit zu suchen, koste es, was es wolle.« Denn wie Orwell sagte: »Freiheit ist das Recht, den Leuten zu sagen, was sie nicht hören wollen.«
Man kann zwar, wie Fitoussi, die Intellektuellen bitten, diesen Wünschen nachzukommen. Aber zuerst muss diese übergriffige, außer Rand und Band geratene Klasse, eingefangen und zur Räson gebracht werden. Und sie muss, was ja Fitoussi ursprünglich beklagte, für ihre Fehler und ihren Hochmut bezahlen. Ein Ansatz bietet als Idee das US-amerikanische DOGE-Beispiel. Das ›Department of Government Efficiency‹ (dt.: Abteilung für Regierungseffizienz) hatte zur Aufgabe, den überbordenden Staat samt Personal auf seine Grundfunktionen zurück zu stutzen.
Wenn Deutschland noch eine Zukunft haben soll, muss das, was unter Staat verstanden wird, und müssen diejenigen, die glauben der Staat zu sein, massiv zurückgedrängt, eingeschränkt und beschränkt werden. Dazu gehört auch die Ermöglichung der strafrechtlichen Verfolgung von Machtmissbrauch oder Geldverschwendung durch Politiker, Beamte, Behördenvertreter u.Ä. seitens einer neu zu schaffenden Funktion unabhängiger, turnusmäßig zu wählender Bürgeranwälte. Als unabhängige Ankläger bräuchten sie die Befugnis gegen Politiker, Beamte, Richter, Staatsanwälte und Professoren, z.B. auf Grundlage der Verursacherhaftung, zu ermitteln und diese ggf. auch zu inhaftieren. Darüber hinaus bedarf es einer Wahlpflicht für Richter und Staatsanwälte (wie z.B. in 43 US-Bundesstaaten) mit begrenzter Amtszeit, sowie die entschädigungslose Entlassung aller Steuergeld verschwendenden Funktionsträger, die einerseits ausschließlich auf den Staat (d.h. den Nettosteuerzahler) fixiert sind als einzige Einkommensquelle für ihre schädliche Ideologiearbeit, mit der sie andererseits alle einfachen normalen Menschen ebenso verachten wie die gewöhnliche, wertschöpfende Arbeit insgesamt.
Was möglich wäre, veranschaulicht die breit angelegte Justizreform in Mexiko. Am Sonntag, dem 01.06.2025, konnten die Wahlbürger erstmals die Richter des Landes direkt wählen. Ausländische Kritiker, etwa die OAS (Organisation amerikanischer Staaten), sehen dabei insbesondere die Gefahr der politischen und »populistischen« Einflussnahme auf den Wahlkampf der Richterkandidaten. Es wird behauptet, manche von ihnen stünden mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung. Das mexikanische Außenministerium konterte indessen solche Vorwürfe mit dem Hinweis, dass die Direktwahl von Richtern eine demokratische Maßnahme sei, die auf mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht im Justizwesen abziele. Zum Vergleich: Wie transparent ist etwa der Kuhhandel um die Posten der deutschen Verfassungsrichter, die ausschließlich nach Parteienproporz gekürt werden? Wie transparent sind die häufigen Abendessen von Spitzenpolitikern mit Verfassungsrichtern? Oder, wie unabhängig sind deutsche Staatsanwälte? Die mexikanische Richterwahl erfolgte auf allen Ebenen. Ausgeschrieben waren 881 Richterposten auf Bundesebene, einschließlich des Obersten Gerichtshofs in Mexiko-Stadt, sowie 1.749 weitere Stellen für Richter und Staatsanwälte auf lokaler Ebene.
Hier geht es weiter: »Intellektuelle – Akteure eines neuen Klassenkampfes?«
Zwischenbilanz
Was sind nun die Konsequenzen? Was sind die Konsequenzen, wenn ein Staat zersplittert? Wenn das öffentliche Leben geprägt wird von Misstrauen der Bevölkerung gegenüber Regierung, Parteien und Behörden, wenn ein unerklärter Klassenkrieg der steuergeldfinanzierten Klassen stattfindet gegen die wertschöpfenden Klassen, wenn Parallelgesellschaften sich abkapseln, der öffentliche Raum verwahrlost, die Infrastruktur zerfällt und die Wirtschaft abstürzt?
Eine sich in Entropie auflösende Gesellschaft dürfte so unvermeidlich sein wie der kommende, die westlichen Gesellschaften überrollende Bürgerkrieg. Davon ist jedenfalls der am Department of War Studies des renommierten Londoner King’s College tätige britische Professor kanadischer Herkunft David J. Betz überzeugt.
In seinem Essay »The Future of War Is Civil War« sieht Betz die Zukunft bewaffneter Konflikte im Westen nicht in klassischen zwischenstaatlichen Kriegen, sondern in großflächigen Bürgerkriegen. Selbst, wenn noch rechtzeitig politisch-gesellschaftliche Weichenstellungen erfolgen sowie Gegen- und Vorsorgemaßnahmen getroffen würden, dürften in naher Zukunft Bürgerkriege die größte und unmittelbarste Bedrohung der Sicherheit westlicher Staaten darstellen.
Mehr: »Die These des Prof. Betz: Die Zukunft des Krieges ist der Bürgerkrieg« (weiterlesen …)
B. Die Notwendigkeiten
Henry John Temple, 3rd Viscount Palmerston, britischer Staatsmann und zweimaliger Premierminister Mitte des 19. Jahrhunderts, war für seinen pragmatischen und oft opportunistischen Ansatz zur Außenpolitik bekannt. »Wir haben keine ewigen Verbündeten und keine ewigen Feinde. Unsere Interessen sind ewig und fortwährend, und es ist unsere Pflicht, diesen Interessen zu folgen«⁴, war er sich deshalb sicher. Eine ähnliche Erkenntnis wird dem französischen General und Präsidenten (1959-1969) Charles de Gaulle zugeschrieben, der kurz und bündig meinte: »Der Staat, der seinem Namen gerecht wird, hat keine Freunde – nur Interessen«.
Hat ein deutsche Politiker der letzten Dekaden je solche Interessen zum Wohl der deutschen Bevölkerung bzw. Wahlbürger geäußert und definiert?
Oder anders: Ist es tatsächlich ein Zeichen moralischer Überlegenheit und im Interesse der Nettosteuerzahler, wenn Parteipolitiker Deutschland leichtfertig zum »Weltsozialamt« erklären und Personen aus aller Welt dazu einladen, auf Kosten der heimischen Trägergesellschaft, Transferzahlungen ohne Gegenleistung beziehen zu dürfen? Die damalige Fraktionssprecherin der Partei Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, sagte am 09.10.2013 im ARD-Morgenmagazin wie selbstverständlich: »Sind wir ein Land, das für Migrantinnen und Migranten offen ist, was Leute anzieht – die wir übrigens dringend brauchen, nicht nur die Fachkräfte, sondern weil wir auch Menschen brauchen, die in unserem Sozialsystem zuhause sind, und die sich hier auch zuhause fühlen können?«
Ähnlich gelagert ist die Frage, ob es ein die Gesellschaft anspornendes Ziel ist, als einziges Land – oder eines der wenigen Länder weltweit, bis zum Jahr 2045 eine sogenannte Klimaneutralität anzustreben. Klimaneutralität, dieser semantisch widersinnige Begriff bedeutet nichts anderes als das Herunterfahren industrieller Produktion gegen Null. Dass menschliches Handeln jede CO₂-Emission vermeiden soll, ist in einer Welt des kohlenstoffbasierten Lebens illusorisch. Das Schrumpfen der Produktion, Deindustrialisierung sowie weitere Vorhaben und Ziele, die den wertschöpfenden Bürgern mehr Nach- als Vorteile bringen, die der Wirtschaft schaden und die Gesellschaft spalten, können nicht dem Eigeninteresse des Landes entsprechen. Schlimmstenfalls dienen sie den Interessen fremder Mächte.
Altruismus ist zwar stets geboten, Selbstverleugnung jedoch bestenfalls sklavenmoralisch zu rechtfertigen und evolutionsbiologisch gesehen ein Irrläufer.
Der große Philosoph des kritischen Rationalismus, Karl Popper⁵, war im Rahmen seiner Kritik des Historizismus und des Utopismus davon überzeugt, dass »Keine Generation […] zugunsten zukünftiger Generationen geopfert werden [darf], zugunsten eines Ideals, das vielleicht nie erreicht wird«. Das heißt: Jede Generation hat den gleichen Anspruch auf ein erträgliches Leben, und da wir immer irren können, könnte es leicht sein, dass die Utopisten einer Generation Lasten aufzwingen oder sogar Menschen opfern, ohne dass es der nachfolgenden Generation dann tatsächlich besser geht.
Um Deutschland aber wieder auf die Spur zu helfen, ist eines klar: Ohne neue Vision von sich selbst wird Deutschland in der Bedeutungslosigkeit versinken. Davon überzeugt ist der Schweizer Politikberater Remo Reginold in einem Interview mit der Onlineausgabe des Boulevardmediums 20 Minuten. Während sich die Staaten Asiens, Afrikas und Südamerikas strategisch klüger positionierten und an Einfluss gewönnen, marginalisiere sich Deutschland (bzw. Europa) mittelfristig weiter. Sie hingen weiterhin einer Werte- und Wirtschaftsordnung an, die so längst nicht mehr existiere. In einer mehrdeutigen, multipolaren Welt, die keine gesicherten Allianzen mehr kenne, in der man je nach Kontext einmal Partner und das nächste Mal Wettbewerber (oder Gegner) sei, fehle es Deutschland (Europa) an einer pragmatischen Sicht auf die Dinge. »Wir leben in einer mehrdeutigen Welt«, erklärt Reginold, »in der man sich nicht nur militärisch und wirtschaftlich, sondern auch kulturell und über Rohstoffe sowie Handelswege geopolitisch behaupten kann.« Besonders Indien habe das »Frenemy«-Prinzip perfektioniert: Je nach eigenem Vorteil wird das Gegenüber mal als Freund (friend) und mal als Feind (enemy) wahrgenommen und entsprechend behandelt.
Der globale Süden habe diese Realität längst erkannt. Deutschland (bzw. Europa) hingegen verschlössen immer noch die Augen davor. Das habe zur Folge, dass sie in vielen strategischen Regionen keine entscheidende Rolle mehr spielen – ob im Südchinesischen Meer, in der Arktis oder im Nahen Osten. Europa, insbesondere die Kolonialmacht Frankreich, haben in Afrika eine Lücke hinterlassen, die sofort von Russland und China geschlossen wurde. Reginold: »Europa verweist immer wieder auf scheinbare Werte, aber Geopolitik war noch nie moralisch.«
Der Politikberater ist sich sicher, dass es Deutschland wie Europa an einer klaren Vision fehlt. Zwar wird stets vollmundig eine Zeitenwende verkündigt, die aber nur eine hohle Phrase ist. Entscheidungen bezüglich zukünftiger Prioritäten und Investitionen fielen unter den Tisch.
Wie sieht nun tatsächlich die Wirklichkeit aus? Kann eine dermaßen diverse, offensichtlich entsolidarisierte Gesellschaft, wie die gegenwärtige deutsche (und europäische) Gesellschaft, sich noch auf gemeinsame, übergeordnete Ziele einigen? Kann eine solche Gesellschaft also noch gemeinsam an einem Strick in die gleiche Richtung ziehen?
Der Zustand einer entsolidarisierten Gesellschaft ist vergleichbar dem Zustand des entsolidarisierten Gesundheitssystems in Deutschland. Die meisten Ärzte sagen, das Gesundheitssystem wird nicht mehr funktionieren, weil es (immer) mehr nehmende Hände gibt, und immer weniger gebende Hände. Aufgrund diverser Gründe gebe es auch immer mehr Personen, die Transferleistungen bezögen (z.B. Bürgergeld), und auch noch andere Patientengruppen, die von diesem System profitierten, aber nichts dazu beitrügen. Ein solches System kenne nur ein Ende: Die Selbstzerstörung.
Diese Frage muss vor dem Hintergrund der gegenwärtigen gesellschaftlich-politischen Trends, Transformationen und politischen Vorgaben (z.B. Klimaneutralität bis 2045, Einwanderung) gestellt werden. Wie könnte unter solchen Voraussetzungen die Zukunft einer multiethnisch-fragmentierten Gesellschaft noch aussehen?
Nun, multiethnische Gesellschaften sind fragmentierte Gesellschaften höchster Entropie und geringster gemeinsamer Identität. Die Dystopie einer fragmentierten Gesellschaft ist das Bild einer diffusen Menge atomisierter Individuen, die aus allen lebendigen Bindungen (z.B. Familie, Dorf- und Wertegemeinschaft, Nation) herausgelöst, als identitäts- und traditionslose, stets austauschbare Humanressourcen überall einsetzbar sind und nur noch Einzelinteressen verfolgen. Sie sind dementsprechend schwach, einfach zu manipulieren und leicht auszubeuten. Der Verlust an Identität wird von außen (und innen) mittels Osmose fremder Identitäten nicht gebremst, sondern weiter beschleunigt. Nebenwirkungen sind kulturelle Inkompatibilität, kulturelle Nivellierung, Identitätsverlust und Gefühle der Entheimatung (fremd im eigenen Land), bewusste Segregation und Ghettoisierung, Kosten für Diversity Management, ethnische Verteilungskämpfe, Transfer externer Konflikte, Kriminalität. Begleitet werden diese Sachverhalte von zunehmenden Transaktionskosten. Transaktionskosten entstehen z.B., wenn zwischen den an einer Transaktion beteiligten Personen Kommunikationsbedarf, Verständigungsprobleme, Missverständnisse oder sonstige Konflikte auftreten. Soziale Entropie wird deutlich sichtbar, weil das erforderliche Maß an syntropischen Gegenkräften nicht mehr erreicht werden kann.
Ökonomisch muss damit gerechnet werden, dass die Einkommen auf Drittweltniveau fallen (was durch hochgradig mobile Produktivität erleichtert wird), Schutzregeln schwach sein werden, die Renten und die Pensionen des öffentlichen Dienstes verfallen und die Korruption regiert. Die Idee der Demokratie wird sich durch eine derartige Vielzahl an Lebensentwürfen, Glaubensrichtungen und Traditionen auflösen, so dass eine Mehrheitsbildung für gemeinsame Politikziele unmöglich wird.
Einer solchen Gesellschaft fehlt jede einigungsfähige geistige Konzeption des auf die Zukunft ausgerichteten gemeinsamen Zusammenlebens. Fehlt eine solche, gilt im Verhältnis der Menschen untereinander wieder mehr und mehr das Gesetz des »homo homini lupus est« (Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf), das Recht des Stärkeren, das Gesetz des Bürgerkriegs. Dieser muss nicht (sofort) offen ausbrechen, sondern kann lange Zeit »molekular« unter der offiziell erlaubten Wahrnehmungsschwelle glimmen.
Der Begriff »molekular« im Zusammenhang und mit Bezug auf den Bürgerkrieg, geht auf einen Essay des deutschen Dichters und Schriftstellers Hans Magnus Enzensberger zurück. Der wurde unter dem Titel »Ausblicke auf den Bürgerkrieg« im Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL 25/1993 veröffentlicht. Im Frankfurter Suhrkamp-Verlag erschien der erweiterte Text im gleichen Jahr als »Aussichten auf den Bürgerkrieg«.
Enzensberger verstand unter einem »molekularen Bürgerkrieg« die Fragmentierung und Zersplitterung der Gesellschaft in eine Vielzahl von kleinen, teils unsichtbaren Konflikten, die nicht in traditionellen politischen Formen ausgetragen werden, sondern tief in der Alltagsrealität der Menschen verankert sind. Somit bezieht sich dieser »molekulare Bürgerkrieg« auf den Zerfall traditioneller sozialer Strukturen und die Diversifizierung der Gesellschaft, in der Spannungen und Konflikte nicht mehr als offene, politische Auseinandersetzungen stattfinden, sondern sich in subtileren, alltäglichen Formen äußern. Die Konflikte würden nicht mehr nur zwischen großen politischen Lagern oder Institutionen ausgetragen, sondern die einzelnen Individuen und Gruppen direkt betreffen, oft in Form von sozialer Entfremdung, kulturellen Spannungen oder Gewalt, die nicht unmittelbar politisch sind, aber dennoch das gesellschaftliche Gefüge destabilisieren.
Die Zahl der Messerkriminalität in Deutschland ist nach BKA-Statistiken seit 2021 messbar angestiegen: von 10.131 Fällen (2021) auf 13.844 Fälle (2023). Für 2024 erfasste die Polizei in Deutschland zu insgesamt 29.014 Straftaten einen »Messerangriff«. 54,3 Prozent davon entfielen auf Gewaltkriminalität, 43,3 Prozent auf Bedrohung und 2,4 Prozent auf sonstige Straftaten. Da die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) in diesen Phänomenfeldern immer genau eine Opferzählung pro Fall erfasst, entspricht die Zahl der Messerangriffe weitgehend der Zahl der unmittelbar verletzten Personen. Eine bundesweite Ausweisung der Todesopfer von Messerangriffen veröffentlicht das BKA nicht separat. Eine lokale Belegprobe aus Hamburg für das Jahr 2023 weist indessen von 74 registrierten Tötungsdelikten 34 mit einem Messer verübte Taten nach. Das entspricht einer Quote von etwa 46 Prozent. Auch wenn Politik, Medien und NGOs von Fall zu Fall verzweifelt versuchen Messerangriffe und Messermorde durch zumeist muslimische Einwanderer zu Einzelfällen bzw. psychiatrischen Einzelfällen umzudeuten, sind diese nicht zufällig. Sie zeigen ein klares Muster. Es sind keine isolierten Taten, sondern eine ziemlich verschärfte Form des molekularen Bürgerkriegs, der als informell koordinierter Dschihad gegen die Einheimischen immer deutlichere Konturen gewinnt.
»Begonnen wird er [der molekulare Bürgerkrieg] stets von einer Minderheit; wahrscheinlich genügt es, wenn jeder hundertste ihn will, um ein zivilisiertes Zusammenleben unmöglich zu machen. Noch gibt es in den Industrieländern eine Mehrheit von Zivilisten. Unsere Bürgerkriege haben bisher nicht die Massen ergriffen, sie sind molekular. Sie können aber, (…), jederzeit eskalieren und zum Flächenbrand werden«, hieß es in Enzensbergers Text von 1993. Und weiter: »Ein französischer Sozialarbeiter berichtet aus der Banlieue von Paris: Sie haben schon alles kaputtgemacht, die Briefkästen, die Türen, die Treppenhäuser. Die Poliklinik, wo ihre kleinen Brüder und Schwestern gratis behandelt werden, haben sie demoliert und geplündert. Sie erkennen keinerlei Regeln an. Sie schlagen Arzt- und Zahnarztpraxen kurz und klein und zerstören ihre Schulen. Wenn man ihnen einen Fußballplatz einrichtet, sägen sie die Torpfosten ab.«
Das sind keine Zufälle. Das ist gewollt. Es waren sogenannte Intellektuelle, Ideologen und Spindoctors – wie der in Deutschland geborene polnisch-stämmige Politikwissenschaftler mit US-amerikanischer Staatsbürgerschaft, Yascha Mounk, die einer vorsätzlichen Heterogenisierung traditionaler Gesellschaften das Wort redeten. Bekannt ist seine Hoffnung, »(…) dass wir hier ein historisch einzigartiges Experiment wagen und zwar eine monoethische, monokulturelle Demokratie in eine multiethnische zu verwandeln. Das kann klappen, es wird glaube ich auch klappen, aber dabei kommt es natürlich auch zu vielen Verwerfungen.« Er sagte dies am 20.02.2018 im Rahmen eines Interviews in den ARD-Tagesthemen. Darüber hinaus forderte er, Gegner einer multiethnischen Gesellschaft, die mit Hass darauf reagieren, vom Staat wegen Hassverbrechen zu bestrafen.
Indessen ahnte der SDS- und APO-Aktivist sowie spätere Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit schon 1991: »Die multikulturelle Gesellschaft ist hart, schnell, grausam und wenig solidarisch, sie ist von beträchtlichen sozialen Ungleichgewichten geprägt und kennt Wanderungsgewinner ebenso wie Modernisierungsverlierer; sie hat die Tendenz, in eine Vielfalt von Gruppen und Gemeinschaften auseinanderzustreben und ihren Zusammenhalt sowie die Verbindlichkeit ihrer Werte einzubüßen« (DIE ZEIT, Nr. 48/1991, 22.11.1991). Eine klare Ansage …
Wenn aber die Gesellschaft in eine Vielfalt von Gruppen und Gemeinschaften auseinanderstrebt sowie ihren Zusammenhalt und die Verbindlichkeit ihrer Werte einbüßt, ist es einer solchen vorsätzlich fragmentierten, bis aufs Äußerste atomisierten Gesellschaft noch möglich, eine die Gesamtbevölkerung einigende Zukunftsvision zu proklamieren? Wie sähe der »kleinste gemeinsame Nenner« in der Gesellschaft aus, der eine möglichst große Gruppe von Menschen noch anspräche und etwas wie ein gemeinsames Basisinteresse beinhalten müsste?
Unter den Bedingungen der multiethisch fragmentierten Gesellschaft und des Rückfalls in den Tribalismus scheint sich die gesamtgesellschaftliche Kohärenz zwangsläufig aufzulösen. Die immer zahlreicher werdenden und sich gegenseitig abgrenzenden Parallelgesellschaften werden zur Normalität. Nur noch innerhalb der jeweiligen Community herrscht Kohärenz, d.h. nur in diesen Fällen besteht noch ein Höchstmaß an Zusammenhalt.
Welche, alle Gruppen einigende Idee, könnte beispielsweise für junge arabische Salafisten, die das Kalifat anstreben, Personen, die sich als nichtbinär lesen, kritische, an der europäischen Aufklärung orientierte Rationalisten und für traditionelle Kirchgänger ebenso gelten, wie für Arbeiter, die arbeiten und Transferempfänger, die nicht arbeiten? Wahrscheinlich gibt diese Frage sich selbst eine Antwort.
Eines muss indessen klar sein: Ohne verständliche Vision von sich selbst, ohne disruptives Denken, ohne geostrategische, wissenschaftliche und technische Innovationen und mehr Eigenständigkeit droht Deutschland (und den europäischen Ländern) die Bedeutungslosigkeit. Die Welt dreht sich weiter – nur Europa bleibt stehen und verharrt geistig-moralisch verkommen im Gestern.
Doch nichts scheint derzeit unmöglicher zu sein als etwas Neues aufzubauen: Stabile, mehrheitsfähige Gemeinschaften und unabhängige Wirtschaftsnetze auf der Basis von Freiheit und Wohlstand mit einem neuen Gesellschaftsvertrag. Möglich erscheint bestenfalls, dass sich eine größere gesellschaftliche Teilmenge auf eine gemeinsame Vision einigt. Der Rest … ist Schweigen.
2. Teil: Eldorado
Der Westen steckt seit den 1970er Jahren in einer Phase der technologischen und kulturellen Stagnation
Der 1967 in Frankfurt am Main geborene US-amerikanisch-deutsche rechts-libertäre Investor, Tech-Unternehmer und Milliardär Peter Thiel ist das, was man als umstritten bezeichnet. Einige halten Peter Thiel für verrückt. Andere für gefährlich, für einen politischen Prediger. Sie sehen in ihm den konträren Transhumanisten, für den körperliche Transformationen wie z.B. Geschlechtsumwandlungen marginal seien im Vergleich zu radikaler Lebensverlängerung oder Unsterblichkeit. Trotz seiner Erfolge mit PayPal, Facebook oder Palantir gilt sein größtes Interesse der Erforschung der biologischen Bedingungen eines längeren, wenn nicht sogar ewigen Lebens. Er hat keinem geringeren den Kampf angesagt als dem Tod persönlich. »Wir sollten entweder den Tod besiegen oder zumindest herausfinden, warum es unmöglich ist«, forderte er in einem Podcast-Interview.
Während er also für die einen nichts weniger ist als der Antichrist, sehen andere in ihm einen Visionär, einen visionären Rebellen. Nicht ganz zu Unrecht. Denn er beklagt, was auch schon anderen vor ihm aufgefallen ist, nämlich einen wahrnehmbaren technologischen Stillstand.
Die allgemeine ›technologische Stagnations-These‹ fasst die Beobachtung zusammen, dass – anders als in früheren Phasen der Industrialisierung und bis ins mittlere 20. Jahrhundert hinein – seit einigen Jahrzehnten keine fundamentalen Durchbrüche mehr stattfanden, die das Wirtschaftswachstum langfristig und breitflächig antreiben. So prägte in jüngerer Zeit etwa der Ökonom Robert J. Gordon in seinem Buch »The Rise and Fall of American Growth« (2016) den Begriff ›The Great Stagnation‹, um zu beschreiben, dass die großen »Erfindungen«, d.h. die Basisinnovationen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts nicht durch gleichwertige ersetzt wurden. Die »Low Hanging Fruits« der Technik (z.B. Dampfmaschine, Elektrizität, Verbrennungsmotor, chemische Industrie) seien bereits abgeerntet und zeigen eine abnehmende Innovationswirkung. Viele deutsche Unternehmen von internationalem Rang, die heute noch unter ihrem ursprünglichen Namen geschäftig sind, fallen in diese Kategorie. Sie alle wurden bereits vor oder kurz nach der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert gegründet. Beispielsweise Siemens (1847), BASF (1865), Münchener Rück (1880), Beiersdorf (1882), Bosch (1886), Rheinmetall (1889), Allianz (1890), Dr. Oetker (1891), Miele (1899), Knorr-Bremse (1905), Edeka (1907), Fresenius (1912), ZF Friedrichshafen (1915) oder BMW (1916).
Neuere Entwicklungen (z.B. Internet, Smartphones) nähmen laut Gordon (und Thiel) in ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wirkung einen immer kleineren Stellenwert ein. So betont er, dass die Grenzproduktivität der Computertechnologie den Lebensstandard deutlich geringer beeinflusst als die früheren großen Erfindungen. Dahinter könnte sich die Erklärung verbergen, weshalb das wirtschaftliche Produktivitätswachstum seit 1970 deutlich geringer ausfiel als im vorangegangenen Jahrhundert, als andere technologische und medizinische Fortschritte zu einem deutlich höheren Produktivitätswachstum führten.
»Natürlich haben der Personal Computer und sein Cousin, das Smartphone, große Veränderungen mit sich gebracht. Viele Waren und Dienstleistungen sind heute in größerer Menge und von besserer Qualität erhältlich. Doch im Vergleich zu dem, was meine Großmutter erlebte, [die 1905 geboren wurde], sind die grundlegenden Dinge des Lebens weitgehend gleichgeblieben«, verdeutlichte der Professor für Wirtschaftswissenschaften an der George Mason University, Tyler Cowen, seine These »The Great Stagnation« (2011) in der New York Times (30.01.2011).
Viele vermeintliche Neuerungen seien vor allem Kopien des Bestehenden – und damit alles andere als Innovationen. Offensichtlich sei in jedem Fall der Sinkflug des Produktivitätswachstums. Einerseits seien messbare Kennzahlen wie die durchschnittliche jährliche Produktivitätssteigerung in den Industrieländern seit den 1970er Jahren deutlich zurückgegangen. Andererseits stagniere in vielen Sektoren der Durchsatz trotz hoher Investitionen in Forschung und Entwicklung.
Mit Blick auf die US-amerikanische Gesellschaft, konstatierte Gordon: »Von 1891 bis 2007 wuchs die reale Wirtschaftsleistung pro Kopf durchschnittlich um zwei Prozent pro Jahr – genug, um sich alle 35 Jahre zu verdoppeln. Dem durchschnittlichen Amerikaner ging es 2007 doppelt so gut wie 1972, viermal so gut wie 1937 und achtmal so gut wie 1902. (…) Doch seit 1990 verlangsamt sich dieser Fortschritt fast vollständig« (New York Times, 07.09.2013).
Peter Thiel schätzt, dass zwar die Welt nicht vollkommen »stecken geblieben« ist, aber die Beschleunigung der vergangenen Jahrhunderte sei vorbei. Zwischen 1750 und 1970 habe es enorme Sprünge in Verkehr, Energie und Raumfahrt gegeben – von der Pferdekutsche bis zur Mondlandung. Heute, sagt er, gebe es Fortschritt fast nur noch in der digitalen Welt, etwa bei Software, Internet oder KI. Schuld daran wären kulturelle Entwicklungen wie Umweltbedenken, innovationsfeindliche Institutionen – etwa die Justiz (als personifizierter Stillstand) und das Beamtentum – und vor allem ein gesellschaftlicher Mangel an Ambition. Schon unmittelbar nach den Apollo-Missionen (Apollo 17 war das Ende des Programms mit Rückkehr am 19.12.1972,) ging seiner Ansicht nach dieser Ehrgeiz und das Bestreben verloren, zu neuen Welten aufzubrechen und Grenzen zu überwinden. Um endlich wieder weiterzukommen, fordert Thiel eine weit größere Risikobereitschaft in Forschung und Gesellschaft. Besonders in der Biotechnologie müsse man alte, gescheiterte Theorien hinter sich lassen. Generell brauche es weniger Regulierung und mehr Experimentierfreude, wie sie in der Frühmoderne selbstverständlich war. Wagemut und Risiken eingehen solle man im Rahmen von Missionen wie dem Flug zum Mars und bei der Entwicklung von Behandlungen gegen Demenz oder Alzheimer. Die größte Verantwortung für den Stillstand trägt in seinen Augen das Juste Milieu der dekadenten Ökolinken. »Im Juli 1969 landeten wir auf dem Mond, drei Wochen später begann Woodstock, und rückblickend betrachtet war das der Zeitpunkt, an dem der Fortschritt zum Stillstand kam und die Hippies gewonnen haben«, ist Thiel überzeugt. Er befürchtet auch, dass die Klimaschutzideologie drohe, in einem »totalitären Weltstaat« zu enden.
Karl Popper charakterisierte die wissenschaftliche (und technische) Entwicklung als einen evolutionären Prozess von Versuch und Irrtum. Die Entwicklung finde nicht sprunghaft statt, sondern in kleinen Schritten, wobei aus Fehlern gelernt werde. Ganz anders sieht dies Peter Thiel. Er vertritt eine einzigartig andere Innovationsphilosophie, indem er die Vorstellung in Frage stellt, Fortschritt resultiere aus kleinen, inkrementellen Verbesserungen. Stattdessen argumentiert er, wahre Innovationen würden darin bestehen, etwas völlig Neues in einem Wurf zu schaffen, etwas, das es vorher nicht gab. Die größten Hindernisse seien mentaler, rechtlicher und politischer Natur.
Eine etwas anderen Antwort auf die Frage, weshalb man sich seit Längerem in einer technologischen Sackgasse verrannt habe, versucht die sogenannte Olduvai-Theorie zu geben. Eine technologisch-industrielle Stagnation mit anschließender Implosion der industriellen Zivilisation, erwartet der US-amerikanische Energieingenieur (Ph.D.) Richard C. Duncan. Seine Olduvai-Theorie wurde erstmals 1989 als »Pulse-Transient Theory« vorgestellt und 1996 nach der altsteinzeitlichen Olduvai-Schlucht in Tansania umbenannt. Die Theorie prognostiziert eine Lebensdauer der industriellen Zivilisation von etwa 100 Jahren (zirka 1930 bis zirka 2030). Duncan beschreibt den Verlauf der Zivilisation als eine Art Rückkopplungsschleife: Während die Pro-Kopf-Energie zunimmt, wachsen Wirtschaft und Bevölkerung (positives Feedback). Sobald aber der Energiezufluss nachgibt, verstärken sich die negativen Effekte selbst: sinkender Energieverbrauch führt zu Schrumpfung von Industrie und Bevölkerung, was den Verbrauch weiter reduziert. Kern der Theorie ist der globale Energieverbrauch pro Kopf oder: e/Pop (e = Gesamtenergie bzw. Weltenergieproduktion geteilt durch Bevölkerung = Pop [Population]) als Maß für wirtschaftlichen Fortschritt und Lebensstandard. Historische Daten zeigten nach Duncan einen raschen Anstieg dieses Werts bis um 1979 als Höhepunkt, gefolgt von einer Stagnation und schließlich einem unaufhaltsamen Abstieg. Die Theorie legt besonderen Wert auf das Potenzial der Elektrizität: Duncan bezeichnete Strom als »die Quintessenz der industriellen Zivilisation«, da 1999 etwa 42 Prozent des Endenergieverbrauchs elektrisch war (Öl nur rund 39 %). Kurz gesagt: Solange der Pro-Kopf-Verbrauch steigt, besteht Fortschritt; sobald e stark sinkt (ab etwa 2030), bahnt sich der Kollaps bis 2050 an. Nach dem Kollaps rechnet Duncan langfristig mit einer Regression auf ein primitives, steinzeitliches Niveau. Um das Jahr 3000 n.u.Z. habe die Menschheit wieder die prähistorische Lebensweise der Altsteinzeit erreicht.
In dieser Sicht ist also das Energiemanagement der entscheidende Faktor: Erhöhtes Bevölkerungswachstum und Industrialisierung liefern bis zum Peak volle Leistung, nach Erreichen der Grenzen bricht das System ein. Ob die Theorie langfristig Bestand hat, hängt davon ab, ob die globalen Pro-Kopf-Verbräuche bald abnehmend in Richtung der 1930er-Werte tendieren und ob Stromnetze verstärkt ausfallen (Blackouts und Brownouts) – oder ob Innovation und Anpassung die Zivilisation noch einige Zeit stabilisieren. Die nächsten Jahre werden zeigen, inwieweit die Olduvai-Prognosen durch aktuelle Daten gestützt werden.
Kritikern der Theorie zufolge stiegen die globalen Pro-Kopf-Verbräuche nach 1979 weiter an und ein unmittelbarer Einbruch blieb aus. Auch technologische Fortschritte bei z.B. ›erneuerbaren Energien‹ und Effizienzmaßnahmen hätten das prognostizierte Zusammenbruchs-Szenario bisher abgemildert.
Unabhängig davon, wie plausibel und wie datengestützt die Olduvai-Theorie ist, rückt sie doch zwei Binsenweisheiten in den Fokus der Betrachtungen. Zum einen die Voraussetzung von Energie – Biomasse, Wind, Wasser, Kohle, Öl, Gas, Uran, thermonukleares Plasma, Antimaterie – als Grundlage der Zivilisation, zum anderen die sichere Verfügbarkeit von Elektrizität.
Zusammenfassend: Eine Gesellschaft, die, statt langfristig orientierte Projekte zu starten, wie etwa die Kolonisierung des Mars oder des Sonnensystems, sich über Gendersprache, CO₂-Steuer und Tempolimits streitet, stumpft geistig ab. Eine Gesellschaft, die Wagemut durch Angst ersetzt, sowie Neugier durch Regulierung und Verbote, eine solche Gesellschaft hat sich aufgegeben. Peter Thiel: »Wenn wir keinen Weg zurück in die Zukunft finden, denke ich, dass die Gesellschaft – ich weiß nicht … Sie zerfällt, sie funktioniert nicht.«
Ein rückwärtsgewandtes Mindset (mit dem Lastenfahrrad in die Zukunft?) und die Energiefrage sind Deutschlands Achillesversen. Doch, wie kommt man zu einem wirklichen Wandel? »Wirklicher Wandel braucht Zeit, Mut und Tiefe«, sagt Peter Thiel und fordert: »Denke in Jahrhunderten, nicht in Quartalen.«
Erfolg durch Langfristdenken
Der Kölner Dom Sankt Peter wurde 1248 mit der Errichtung des Chors nach den Plänen des ›Meisters Gerard‹ begonnen, der die Bauleitung bis 1279 selbst innehatte. Erst 1322 wurde der Chor vollendet; die Arbeiten am Querhaus, Langhaus und den Türmen noch bis 1560 weitergeführt. Aber erst zwischen 1842 und 1880 konnte die Kirche nach den alten Plänen fertiggestellt werden. 632 lange Jahre beschäftigten sich unzählige unbekannte Künstler, Handwerker und Baumeister mit diesem Gebäude und übergaben das jeweilige Stückwerk von einer Generation zur nächsten. Der Bau der Chinesischen Mauer zwischen dem dritten und sechsten Jahrhundert und ihrem Abschluss in der Ming-Dynastie (1368 bis 1644) »quälte« sich ebenfalls mehrere Jahrhunderte dahin. Die Vollendung solch langfristiger Ziele ist offensichtlich nur in Gesellschaften mit einer hohen sozialen ›Syntropie‹ (bzw. Negentropie) denkbar.
Wäre eine westliche ›demokratische Gesellschaft‹ der Gegenwart bereit, ein Projekt zu initiieren, das erst in 600 Jahren vollendet würde? Hätte ein ›demokratischer Politiker‹ überhaupt das Mandat und dann noch den Mut, in ein Projekt zu investieren, das viele hundert Jahre beanspruchen würde? Jeder, der es dennoch wagen würde, sähe sich verunglimpft, dem Gespött und dem Vorwurf eines absurden ›Turmbaus zu Babel‹ ausgesetzt. Wer denkt heutzutage noch in langen Zeit-Räumen?
Manche hoffen, dies könne indessen der Quell für epochale Innovationen sein.
»Warum sollten wir uns den Kopf über Ereignisse zerbrechen, die fünf Jahrhunderte in der Zukunft liegen?« »Ich werde schon in einem halben Jahrzehnt nicht mehr am Leben sein«, antwortete Seldon, »und doch ist es für mich ungeheuer wichtig. Nennen Sie es Idealismus. Nennen Sie es eine Identifizierung meiner Person mit dieser mystischen Verallgemeinerung, für die wir den Begriff Mensch benutzen.« (Isaac Asimov, Die Foundation-Trilogie).
Was Deutschland einst stark machte: Es war das Land der Familienunternehmen, Hidden Champions – und heute vielleicht der Stealth‑Start-ups.
Laut dem Institut für Mittelstandsforschung Bonn (IfM Bonn) gab es im Jahr 2022 in Deutschland rund 3,2 Millionen Familienunternehmen, was etwa 90 Prozent aller Unternehmen entspricht. Ähnliche Angaben liefert die Stiftung Familienunternehmen: Demnach sind in Deutschland etwa 2,9 Millionen familiengeführte Unternehmen ansässig, ebenfalls knapp 90 Prozent des gesamten Unternehmensbestands. Familienunternehmen erwirtschaften rund 42 Prozent aller Unternehmensumsätze; sie stellen darüber hinaus fast 60 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze und rund 80 Prozent der Ausbildungsplätze in Deutschland. Unter ihnen befinden sich viele berühmte Hidden Champions. Mit diesem Begriff werden zumeist Weltmarktführer in Nischenbranchen bezeichnet, die der breiten Öffentlichkeit aber häufig unbekannt sind. Je nach Quelle liegen leicht unterschiedliche Zahlen über ihre Anzahl in Deutschland vor. Insgesamt wird von etwa 1.300 solcher Betriebe in Deutschland ausgegangen – d.h. mittelständische Marktführer, die in ihrer Branche mindestens zu den Top 3 weltweit zählen.
Das Familienunternehmen scheint – neben der römisch-katholischen Kirche – eine der wenigen auf Langfristigkeit angelegten Organisationsformen zu sein. Und es ist durch seine Führungskräfte von Haltungen und Denkweisen geprägt, die dereinst für interstellare Reisen in Generationenraumschiffen unerlässlich sein dürften. Zukunftsorientierung, davon ist der paläo-libertäre Ökonom Hans-Hermann Hoppe überzeugt, sei das notwendige Kennzeichen einer »natürlichen Elite«.
Ganz junge und ganz alte Menschen, heißt es, dächten weniger weit als etwa Eltern, die für ihren Nachwuchs sorgten und sparten. Auch Schwule, die »natürlich typischerweise kinderlos sind« (Hans-Hermann Hoppe, Demokratie. Der Gott, der keiner ist), wie auch Singles im Allgemeinen, hätten einen sehr kurzen persönlichen Zeithorizont. Des Weiteren fabriziere unser politisches System aufgrund kurzer Legislaturperioden den Typ des kleptokratischen Herrschers mit sehr kurzem Zeithorizont. Politiker verhielten sich wie Kleinkinder, denen jede Vorstellungskraft von langfristigen Zusammenhängen fehle. Daher würden sie etwa die Gegenwart aus der Zukunft subventionieren, noch nicht erwirtschaftete Steuergelder verschleudern, und mithin für heutige Wahlversprechen die Nachgeborenen in Geiselhaft nehmen. Es sind insbesondere die Kinderlosen, die sich inbrünstig zu einer sorglos-nihilistischen Nach-uns-die-Sintflut-Politik hinreißen lassen. Eine Untersuchung der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung von 2011 ermittelte damals 35 Prozent Kinderlose unter den weiblichen und 30 Prozent unter den männlichen Abgeordneten im Deutschen Bundestag. Am häufigsten kinderlos waren mit 42 Prozent die FDP-Männer und mit 41 Prozent die weiblichen Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen. Die Abgeordneten des aktuellen Deutschen Bundestags sind zu über 40 Prozent kinderlos. Es war in Deutschland der kinderlose Kanzler A. Merkel, der die Energiezukunft des Landes niederriss, die gesellschaftliche Kohärenz durch ungesteuerte Masseneinwanderung zersetzte, während der Pandemie die Grundrechte als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat aushebelte und eine legale Ministerpräsidentenwahl in Thüringen per Pressekonferenz annullierte.
Im Gegensatz zu kinderlosen Politikern erstreckt sich der persönliche Zeithorizont von Eltern zumindest theoretisch bis zu den eigenen Enkeln. Ihr ›Denken-entlang-des-Zeitstrahls‹ kreist, statt nur um die eigene Person, insbesondere um ihre Nächsten, um ihre Kinder und Enkel und ungeborenen Urenkel. Deshalb sind nicht von ungefähr die ältesten und damit auch beständigsten Unternehmen stets Familienunternehmen. Familienunternehmen denken und handeln in Generationen. Ebenso der Fürst eines territorialen Besitztums. Auch er hat ein über sein eigenes Leben hinausgehendes Interesse am langfristigen Wohlergehen seiner Dynastie. Ganz im Gegensatz zum demokratischen Parteipolitiker, der im Rhythmus der Wahlkämpfe sorg- und verantwortungslos die Zukunft Dritter verspielt. Wie auch der sich von Quartal zu Quartal hangelnde Konzern-Manager (CEO). Die beschämende Kurzatmigkeit solcher Entscheidungsträger offenbart nur das fraktale Abbild einer ebenso raubgierigen wie plündernden Gemeinschaft, die blind ist für die längerfristigen Ergebnisse ihrer Handlungen, Taten und Unterlassungen. Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen dem entropischen Aggregatzustand einer Gesellschaft einerseits und ihrem Zeitbewusstsein andererseits.
Unterstützung erfährt diese Tatsache übrigens am Beispiel einer zwar in der Vergangenheit wurzelnden aber durch ihre feste Binnenordnung langfristig angelegten Gemeinschaft: die ›Amish people‹ genannten ›Amischen Mennoniten‹ der nordamerikanischen Prärie. – Die Höfe der Amischen beherbergen meistens Großfamilien mit oft bis zu vierzehn Kindern, da diese als ›Gabe Gottes‹ und als Arbeitskräfte erwünscht sind. Gehorsam und Respekt gegenüber den Eltern gehört zu ihren vornehmsten Pflichten. Je älter sie sind, umso mehr Autorität wird den Eltern auch zuerkannt, da sie einen nachweisbaren Erfahrungsvorsprung haben. Diese wiederum sparen lange, um ihren Kindern einen eigenen Hof zu ermöglichen. Sind die Kinder einmal erwachsen und haben eine eigene Familie gegründet, so wird die Vorgängergeneration, die sich aus dem Haushalt zurückzieht, in einem Anbau an das Haupthaus beherbergt und von den jüngeren umsorgt. Dafür stehen die Alten den Jungen mit Ratschlägen in allen Lebenssituationen beiseite.
So ist es nur folgerichtig, dass die ältesten Unternehmen der Welt Familienunternehmen sind … Darunter werden Unternehmen verstanden, die bis heute in direktem Familienbesitz sind und/oder von den direkten Nachkommen der Gründerfamilien geführt werden. Ihnen muss ein anderer Mindset zugrunde liegen als normalen Wirtschaftsbetrieben, die im Schnitt nur 30 Jahre alt würden, wie Professor Fritz B. Simon von der Universität Witten/Herdecke aufklärt.
Der älteste Familienbetrieb der Welt, das 578 n.u.Z. gegründete japanische Tempelbauunternehmen ›Kongō Gumi‹, bestand 1.428 Jahre – bis zur Liquidation im Jahre 2006 (wegen Überschuldung) und Übernahme durch einen Wettbewerber. Abgelöst wurde es vom japanischen ›Ryokan Hōshi‹ in Awazu Onsen auf der Hauptinsel Honshu, das lange als ältestes Gasthaus der Welt galt, gegründet 718 n.u.Z.. Es befindet sich seit 46 Generationen im Familienbesitz. Ein beinah existenzieller Schicksalsschlag widerfuhr dem Familienbetrieb dann 2013: Im Alter von nur 46 Jahren starb der älteste Sohn des Eigentümers Zengoro Hoshi plötzlich an Herzversagen, der als Vertreter der 47. Generation das Haus mit 70 Zimmern und rund 3.500 Gästen pro Monat weiterführen sollte. Nachfolgerin wurde die unverheiratete Tochter Hisae. Wenige Jahre älter ist das über Thermalquellen erbaute und im Jahr 705 gegründete ›Thermalquellen-Gasthaus‹ Nishiyama Onsen Keiunkan in Hayakawa am Fuße des Akaishi-Gebirges. Die Herberge wurde im Jahr 2011 vom Guinness-Buch der Rekorde als das älteste Hotel der Welt anerkannt. Bis 2017 wurde es über 1.300 Jahre lang ununterbrochen von 52 Generationen derselben Familie (einschließlich Adoptiverben) geführt. Danach war kein Familienmitglied mehr bereit, das Geschäft zu übernehmen …
In Deutschland gilt die Brauerei Zötler aus Rettenberg im Oberallgäu als das älteste Familienunternehmen. Eine Urkunde weist den 25. Januar 1447 als Gründungsdatum nach, was aber nicht gesichert ist. Das nachweislich älteste Familienunternehmen des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland ist die 1502 in Siegen gegründete The Coatinc Company, die in der Oberflächenveredelung von Stahl und Metall tätig ist. Die Unternehmensgruppe befindet sich seit 17 Generationen in Familienbesitz. 1530 gilt als offizielles Gründungsjahr des Unternehmens William Prym (heute: Prym Group), das dank seiner Druckknöpfe sowie seines Näh- und Strickzubehörs weltweit bekannt ist. Es ist seit 14 Generationen im Eigentum der Gründerfamilie.
Ob Familienunternehmen oder Hidden Champion, sie sind diejenigen, die den wirtschaftlichen Wohlstand in Deutschland entscheidend mitprägen. Und erfreulicherweise betätigen sich viele dieser Unternehmen, zusammen mit Start-ups, nicht mehr nur in alten Wirtschafts- und Industriebereichen, sondern auch in ganz neuen, etwa in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Robotik oder Raumfahrt.
Chancen erkennen, statt Risiken beschwören
Es war der 11.03.2011, als spätestens an diesem Tag das Ende der friedlichen Kernenergie-Nutzung in Deutschland besiegelt wurde. Der durch ein Seebeben der Magnitude 9,1 ausgelöste Tsunami traf die nördliche Ostküste der japanischen Kerninsel Honshū. Nach Behördenangaben forderte die Naturkatastrophe 22.325 Menschenleben. Auch der Kernkraftwerkskomplex Fukushima-Daiichi wurde von einer 14 Meter hohen Flutwelle überrollt, wodurch die Dieselgeneratoren der Notstromversorgung versagten. Binnen weniger Tage kam es in den Kraftwerksblöcken 1, 2 und 3 zur teilweisen oder vollständigen Kernschmelze (»Meltdown«). Es gab keinen nachgewiesenen Todesfall durch akute Strahlenkrankheit nach der Explosion oder dem unmittelbaren Reaktorversagen.
Dennoch änderte in beschämend-opportunistischer Weise Bundeskanzlerin Angela Merkel schlagartig die deutsche Energiepolitik und leitete den beschleunigten sogenannten »Atomausstieg« ein. In Deutschland führten massenhafte Demonstrationen gegen Kernkraft und eine Welle von Bürgerprotesten zu einem enormen Druck auf die Bundesregierung. Noch im Oktober 2010 wurde eine Laufzeitverlängerung für Deutschlands Kernkraftwerke beschlossen. Die restliche Laufzeit der acht ältesten und neun jüngeren Reaktoren sollte um durchschnittlich 12 Jahre angehoben werden, um bis 2036 zumindest einen Teil des steigenden Strombedarfs decken zu können.
Die Entscheidung bedeutete eine Zäsur in der deutschen Energiepolitik. Sie führte im Rahmen der »Energiewende« zu einem rapiden Ausbau von Wind- und Solarenergie, ohne diesen jedoch durch kalt- oder schwarzstartfähige Kraftwerke (z.B. Gas- oder Wasserkraftwerke) redundant abzusichern. Schon damals debattierten Kritiker über Versorgungssicherheit, Netzausbau und steigende Strompreise. In den Folgejahren beherrschten wissenschafts- und technikfeindlich-romantische Ideologen, hinterhältige Subventionsprofiteure und ebenso bildungs- wie realitätsferne Parteipolitiker das Meinungsklima zur (größtenteils in Übersee ausgedachten) Energiewende, die sich ausschließlich auf sogenannte erneuerbare Energien stützen sollte. Kraftwerke, neben Kernkraftwerken auch Kohlekraftwerke, stillzulegen und unwiderruflich zu zerstören, ohne angemessen funktionierenden Ersatz zu haben, ist gemeingefährliches Glücksrittertum, aber keine verantwortungsbewusste Politik. Dasselbe gilt für die naive Vorstellung, zugunsten einer bestenfalls theoretisch vorhandenen Wasserstofftechnologie, jetzt schon die Infrastruktur einer bewährten Technologie, z.B. das sich über mehr als 600.000 Kilometer erstreckende deutsche Erdgasnetz, aus dem Boden zu reißen.
Doch Sonnen- und Windenergie unterliegen wetterbedingten Schwankungen, die eine stabile Netzführung erschweren. Gegenwärtig (2025) gibt es rund 3,5 Millionen Photovoltaikanlagen in Deutschland mit kumuliert 81 Gigawatt Leistung – wenn die Sonne scheint. Wenn sie nicht scheint, ist die Leistung Null. Das ist ein Zustand, der in die Mangelwirtschaft führt. Andererseits entstehen bei hoher Einspeisung (z.B. mittags bei Sonnenschein) lokale Überlastungen, da Netze historisch für zentrale, steuerbare Kraftwerke ausgelegt wurden. Ein landesweiter Blackout erscheint (derzeit) zwar wenig wahrscheinlich, aber mit lokalen Brownouts (gezielte Abschaltungen) ist realistischerweise zu rechnen, besonders in ländlichen Regionen mit schwachem Netz und hoher EE-Dichte (EE, d.h., ›erneuerbare‹ Energien).
Was passieren kann, wenn man sich ausschließlich auf Sonne und Wind – die anscheinend keine Rechnungen schicken – ohne valide Grundlast, sei es durch Kernkraft oder Speichertechnologien, verlässt, zeigte sich am 28.04.2025. Um 12.33 Uhr dieses Tages brach in weiten Teilen Spaniens und Portugals das Stromnetz zusammen. Statt sich an physikalischen Natur- und Grundgesetzen zu orientieren, wurde das Netz zum Spielball chaotischer Einspeisung.
Doch Energie ist das Kriterium und die unbedingte Voraussetzung jeder Super-, Mega-, Ultra- und Hyperzivilisation. Ohne zuverlässige Energieversorgung gibt es keine Rechenzentren für Künstliche Intelligenz, keine Robotik, keine Quantencomputer, keine Elektromobilität, keine elektrischen Haushaltshilfen und keine Medizintechnik.
Sämtliche Basisinnovationen der kulturellen und zivilisatorischen Entwicklung – seien es die ersten Steinwerkzeuge (Faustkeil), die Kontrolle des Feuers, Ackerbau und Viehzucht (Neolithische Revolution), Metallurgie (Bronze- und Eisenwerkzeuge/-waffen), Dampfmaschine, Elektrizität, Verbrennungsmotor, Kernspaltung oder Genetik – waren vom Willen getrieben, sich aus der Abhängigkeit von der Natur und den Naturkräften zu befreien.
(Fast) ausschließlich auf die Nutzung von Wind- und Sonnenenergie zu setzen, um als voraussichtlich einziges Land weltweit bis zum Jahr 2045 das irrationale Ziel der irrationalen sogenannten »Klimaneutralität« (zum Schaden des Wirtschaftsstandortes Deutschland) zu erreichen, ist nicht nur ein kultureller, sondern ein zivilisatorischer Rückschritt in die unberechenbare Abhängigkeit von den Launen der Natur.
Darüber hinaus zeigt sich hier der fundamentale Widerspruch zwischen dem sogenannten Klimaschutz (also dem Schutz eines statistischen Wertes) und dem Umweltschutz. In Spanien sollen 200.000 Olivenbäume zugunsten neuer PV-Anlagen gefällt werden. Bereits mehr als 50.000 Olivenbäume wurden im Norden der autonomen Region Andalusien Opfer von Sonnenenergieanlagen. Auch über 45.000 Weinstöcke wurden dafür schon entwurzelt und vernichtet. Noch verheerender sieht es hierzulande aus. In Deutschland gibt es derzeit (Anfang 2025) insgesamt knapp 30.300 Windkraftanlagen. Davon befinden sich zirka 28.770 Onshore‑Windenergieanlagen an Land und rund 1.500 Offshore‑Windräder in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) von Nord‑ und Ostsee. Weitere 2.405 Projekte befinden sich in der Planung, im Genehmigungsprozess oder im Bau. Allein der Materialeinsatz für eine durchschnittliche Windkraftanlage umfasst rund 500 bis 600 Tonnen Stahl, 2.000 bis 2.250 Tonnen Beton und drei bis 30 Tonnen Kupfer. Was aufgrund dieser zerstörerischen Selbstbeschränkung geliefert wird, ist eine Elektrizität, die nicht nur die teuerste aller entwickelten Länder ist, sondern auch eine der schmutzigsten.
Während des Zweiten Weltkriegs führte die britische Royal Air Force ab 1942 gezielte Flächenbombardements (gemäß »Area Bombing Directive No 5«) der Wohngebiete deutscher Städte durch. Das Ziel des völkerrechtlich umstrittenen »Moral und Area Bombings« war es nicht nur, den Durchhaltewillen der deutschen Zivilbevölkerung zu brechen und den Widerstand zu zermürben. Die vorsätzliche Zerstörung historischer Innenstädte sollte auch das kulturelle Gedächtnis Deutschlands auslöschen. Eine historisch gewachsene Städtelandschaft versank einschließlich ihrer Kulturgüter damit unwiederbringlich. Was nach dem Wiederaufbau entstand, war an Hässlichkeit und Brutalismus oft nicht zu überbieten. Daran muss sich erinnert fühlen, wer die weiten Ebenen einer durch und durch von Windrädern »verspargelten« Kulturlandschaft sieht. Es scheint die ideologisch gewollte Fortsetzung der Flächenbombardements mit anderen Mitteln zu sein: Statt Krater sind Äcker, Wiesen und Wälder von Windrädern übersät. Jede Rückkehr zur Erinnerungs- und Vorstellungswelt eines noch teilweise intakten Landes soll offensichtlich endgültig ausradiert werden.
Fazit: Der deutsche Sonderweg einer sich fast ausschließlich auf Sonnen- und Windenergie stützenden Energieversorgung wird zwangsläufig scheitern. Wie erwähnt, werden sich die Kosten des Energiesystems aufgrund der völlig überteuerten Speicherung der schwankenden Stromversorgung vervielfältigen und zu Deindustrialisierung mit massiven Wohlstandsverlusten führen. Zusätzlich zum vorhandenen Kraftwerkspark wird der weitere Ausbau zur großflächigen Zerstörung der Landschaft, der Lebensräume vieler Tierarten und zu einer schwer abschätzbaren Veränderung der meteorologischen Verhältnisse führen. Aller Berechnungen nach werden die für die Installation von Solar- und Windkraftanlagen, Kabeltrassen, Speichern (Batterien und Wasserstoff), E-Fahrzeugen, Wärmepumpen notwendigen spezifischen Materialien wie Kupfer, Nickel, Lithium, Cobalt, Vanadium und Grafit in den nächsten 20 Jahren nicht ausreichend zur Verfügung stehen.
Doch eine Energiewende, die keine Zukunft hat, und die insbesondere aus irrational-ideologischem Wahn (Klimaneutralität) überhaupt keine Zukunft in Wohlstand bieten möchte, muss beendet werden.
Trotz dieser kontraproduktiven Aussichten finden in Deutschland noch Entwicklungen statt, die dem Anspruch einer hochtechnologischen Industrienation gerecht werden könnten. Und auf die man bauen sollte. Dazu bedarf es – im Gegensatz zu den Erneuerbaren – Energie in großen Mengen, die man nicht subventionieren muss, die zuverlässig ist und preiswert bereitgestellt werden kann.
Unerschöpfliche Energie …
Ein in Deutschland ausgedachtes, aber aufgrund der gesetzlichen Verhinderungen hier bislang nicht umsetzbares Konzept der Elektrizitätsgewinnung ist der Dual‑Fluid‑Reaktor (DFR). Die Grundlagenforschung erfolgte zunächst am Institut für Festkörper-Kernphysik in Berlin. Im Februar 2021 gründeten einige der Beteiligten das kanadische Unternehmen Dual Fluid Energy Inc. mit dem Ziel, die Technologie zur kommerziellen Reife zu führen. Nach einer Einigung mit der Atomaufsicht Ruandas soll im Herzen Afrikas ein Demonstrationsreaktor gebaut und betrieben werden.
Gegenüber herkömmlichen Kernkraftwerken (z.B. Druckwasser‑ oder Siedewasserreaktoren) weist ein Dual‑Fluid‑Reaktor zahlreiche Vorteile auf.
Im DFR kann der Kernbrennstoff auf bis zu 1.400 Grad Celsius und das flüssige Blei‑Kühlmittel auf bis zu 1.000 Grad Celsius erhitzt werden. Diese hohen Temperaturen steigern den thermischen Wirkungsgrad der Stromerzeugung deutlich gegenüber den zirka 330 Grad Celsius in klassischen Wasserreaktoren. Durch die Trennung von flüssigem Brennstoff und Kühlmittel lassen sich die Temperaturdifferenzen im Reaktorkern präziser steuern. Dadurch wird mehr Wärme in elektrische Energie umgewandelt und so pro Masseneinheit Brennstoff mehr Leistung erzielt. Ganz entscheidend ist auch der Umstand, dass sein Betrieb weniger langlebige Abfälle erzeugt. Denn der flüssige Brennstoff ermöglicht eine höhere Brennstoffausnutzung und reduziert den Anteil langlebiger Spaltprodukte im Abfall. Das verringert sowohl die Menge des hochradioaktiven Abfalls als auch die Komplexität seiner Endlagerung. Des Weiteren können Spaltprodukte während des Betriebs entnommen und der Brennstoff durch Zugabe frischen Materials nachgefüllt werden. Dies ermöglicht einen nahezu unterbrechungsfreien Betrieb ohne periodischen sogenannten Refuel‑Shutdown.
Zusammengefasst verspricht ein DFR durch seine hohe Temperatur, passive Sicherheitssysteme und die effiziente Nutzung des Brennstoffs eine robuste, wirtschaftliche und ressourcenschonende Lösung für die IV. Generation der Kernenergie.
… statt Flatterstrom
Noch ehrgeiziger ist der Wettlauf zu einer Energiequelle, die sauber und beinah unerschöpflich ist: Das Fusionskraftwerk. Zwar arbeiten weltweit zahlreiche Forschungseinrichtungen und Start-ups an solchen Plänen. Doch Deutschland will Vorreiter in der Kernfusion werden, schreiben die Medien. Nach Jahrzehnten intensiver Forschung und Experimente zeigt sich, dass es etwas werden könnte mit einem profitablen Fusionskraftwerk. Start-ups, Risikokapitalgeber mit Milliardeninvestitionen und großen Visionen wollen auf lange Sicht fossile Brennstoffe, Wind- und Solaranlagen nicht nur ergänzen, sondern sogar überflüssig machen. Zwischen 2021 und 2024 sind allein die privaten Investitionen in Fusionsunternehmen weltweit um 300 Prozent gewachsen, schreibt die Unternehmensberatung Arthur D. Little (ADL). Die Kernfusion könnte all die Versprechen erfüllen, die erneuerbare Energien nicht halten können: Versorgungssicherheit, niedrige Energiepreise, saubere Stromerzeugung in praktisch unbegrenzter Menge und rund um die Uhr mit einem Bruchteil des radioaktiven Mülls, den die Kernspaltung verursacht. Das Risiko einer Kernschmelze entfiele ebenfalls.
Erfreulicherweise gibt es in Deutschland mehrere erfolgversprechende Projekte und Start-ups, die an der Entwicklung von Fusionsreaktoren arbeiten, um die Kernfusion zur Energieerzeugung zu nutzen. Das Darmstädter Unternehmen Focused Energy setzt auf Laserfusion und plant, bis Anfang der 2030er Jahre eine Testanlage mit 40 bis 50 Lasern zu bauen. Proxima Fusion aus München, eine Ausgründung des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik, plant mit seinem Konzept »Stellaris«, das dort maßgeblich entwickelt wurde, bis 2031 einen Prototyp zu bauen und noch in den 2030er Jahren eine marktreife Fusionsanlage zu realisieren. Gauss Fusion hat sich den Baubeginn einer Anlage in Garching bei München mit einer elektrischen Leistung von einem Gigawatt für die Zeit zwischen 2028 und 2030 vorgenommen. Ein weiteres Unternehmen, das sich auf Laserfusion konzentriert und ebenfalls ambitionierte Ziele für die Entwicklung von Fusionsreaktoren verfolgt, ist Marvel Fusion aus München.
Außerdem wird vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Greifswald seit dem 10.12.2015 die Stellarator-Anlage Wendelstein 7-X (W7‑X) im Experimentierbetrieb geführt. W7‑X ist die größte Stellarator‑Fusionsanlage der Welt und dient der Erforschung der physikalischen und technischen Grundlagen für ein späteres Fusionskraftwerk des Stellarator-Typs, d.h. eines bestimmten magnetischen Einschließungssystems. Kernstück ist ein optimiertes, drehachsengekrümmtes Magnetfeld aus 50 supraleitenden Magnetspulen. Das Magnetfeld schließt ein bis zu 100 Millionen Grad Celsius heißes Plasma im Torus ein. Wendelstein 7‑X ist mithin ein Schlüsselprojekt, um zu zeigen, dass der Stellarator als stabiles, langlebiges Fusionsreaktorkonzept für die Stromerzeugung geeignet ist, um die entscheidenden Grundlagen für einen kommerziellen Fusionskraftwerkentwurf zu erarbeiten.
Wir sind die Roboter
Viele Familienunternehmen integrieren inzwischen KI‑Lösungen zur Prozessoptimierung (Predictive Maintenance, Supply‑Chain‑Optimierung). Doch den Ton geben im Moment noch die US-Amerikaner und die Chinesen an. Es sind Unternehmen wie OpenAI (bekannt für seine GPT‑Modelle), Google DeepMind (AlphaGo, AlphaFold und multimodale Modelle wie Gemini), Anthropic (Claude) oder Perplexity AI, die – unterstützt durch Milliardeninvestments, den globalen KI‑Boom vorantreiben.
Doch selbst Deutschland kommt langsam aus den Startlöchern und profitiert von einer engen Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft, starken Förderstrukturen und einem vielfältigen Gründungsökosystem.
Mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) an Standorten in Kaiserslautern, Saarbrücken, Bremen und Berlin – sowie zahlreichen Max‑Planck‑Instituten (u.a. für Intelligente Systeme in Tübingen und Stuttgart) besteht eine starke staatlich geförderte Basis. Cluster wie »Cyber Valley« in der Region Stuttgart/Tübingen oder das Spitzencluster »Munich Urban Colab« bündeln Universitäten, außeruniversitäre Forschung und Industriepartner.
Ob Aus- oder Neugründungen, die wichtigsten KI-Gründerzentren, die ein einzigartiges Ökosystem von Start-ups bilden, sind Berlin, München und Stuttgart. Prominente Beispiele sind Merantix (KI‑Hubs), TwentyBN (Video‑KI), Celonis (Process Mining) und Arago (Automatisierungssoftware). Zahlreiche Inkubatoren und Venture‑Capital‑Geldgeber fördern jährlich Hunderte neuer KI‑Start-ups. Nicht zuletzt sind es auch global agierende Konzerne wie Siemens, Bosch oder SAP, die eigene KI‑Forschungseinheiten betreiben und »AI‑as‑a‑Service« in Bereichen von Fertigungsautomation bis Business Software entwickeln.
Eng verknüpft mit Künstlicher Intelligenz sind Projekte der Robotik und der Betrieb humanoider Roboter. Diese sind zunehmend im Fokus der Forschung und Industrie, da sie das Potenzial haben, in verschiedenen Bereichen menschliche Aufgaben zu unterstützen und zu erleichtern. Die Entwicklung und Anwendung dieser Roboter erfordern eine enge Zusammenarbeit zwischen Forschung, Industrie und Anwendern, um praxisnahe und wettbewerbsfähige Lösungen zu schaffen.
Auch auf diesem Gebiet sollten deutsche Forschungseinrichtungen und Unternehmen nicht abgeschrieben werden, obwohl die Robotik und Automation in Deutschland zuletzt an Wettbewerbsfähigkeit nachließen. Für 2025 prognostiziert die Branche einen Gesamtumsatz von minus neun Prozent auf 13,8 Milliarden Euro. Das vergangene Jahr schlossen die Unternehmen mit einem Umsatz von minus sechs Prozent mit 15,2 Milliarden Euro ab.
Deutschland liege mit 419 Einheiten nun auf dem vierten Platz des weltweiten Rankings, sagen die Branchenverbände. Die Spitzenplätze nähmen Südkorea mit 1.012 Einheiten sowie Singapur mit 770 Einheiten je 10.000 Arbeiter ein. Da das künftige Wachstum der Volkswirtschaften nur durch Robotik und Automatisierung als Schlüsseltechnologien möglich sei, müsse endlich eine Aufholjagd gestartet werden, mahnte Dietmar Ley, Vorsitzender des Fachverbands VDMA Robotik + Automation. Nur so sei gewährleistet, dass das volkswirtschaftliche Wachstum durch Produktivität und Innovationen gesteigert werden könne.
Leuchttürme der Robotik in Deutschland sind etwa KUKA mit Sitz in Augsburg, Festo aus Esslingen oder das 2019 gegründete Metzinger Unternehmen NEURA Robotics. Immer noch gilt KUKA, 1898 gegründet, als technologisch führender Anbieter von Industrierobotern in Deutschland. Der 1973 entwickelte KR FAMULUS war der weltweit erste elektrisch angetriebene Industrieroboter. Obwohl KUKA als größter deutscher Roboterhersteller den Markt dominiert, gibt es Spezialisten, die in Nischen oder mit neuartigen Technologien glänzen und voranstürmen.
NEURA Robotics etwa verfolgt das Ziel, »Robotern Sinne (Umgebungswahrnehmung) und Verstand (künstliche Intelligenz) zu verleihen, um die Robotik grundlegend zu revolutionieren und die Menschheit effektiv zu unterstützen«. Beispielsweise werden »kollaborative Roboter um kognitive Fähigkeiten erweitert, damit sie in bestehenden Arbeitsumgebungen sicher und intuitiv Hand in Hand mit Menschen arbeiten können, ohne teure Schutzvorrichtungen zu benötigen«. Dies wird erreicht, indem eine kognitive Sensorik es den Robotern ermöglicht, dynamisch auf ihre Umgebung zu reagieren. Das Produktspektrum reicht von »MAiRA« (Multi‑sensing-intelligent-Robotic Assistant), einem kognitiven Roboterarm mit neuartigen, vollständig integrierten Sensoren für vielseitige Automatisierungsaufgaben bis zu »4NE‑1«, einem fortschrittlichen kognitiven humanoiden Roboter, der sehen, hören und tasten kann und dessen dritte Generation für 2026 geplant ist. Nach eigenen Angaben erreicht NEURA Robotics »durch die vollständige Inhouse‑Fertigung aller Schlüsseltechnologien eine unvergleichliche Kosteneffizienz und optimale Systemintegration«.
Der seit Ende 2023 in Pflegeheimen eingesetzte, rund 75 Zentimeter große soziale Roboter »Navel« des Münchner Startups Navel Robotics, auch als Empathie-Roboter bezeichnet, soll die emotionale und kognitive Aktivierung der Heimbewohner dienen und die soziale Interaktion fördern. Vereinsamung und Sprachlosigkeit, oft infolge fortschreitender Demenz, sind die sicheren Begleiter im hohen Alter – zuhause oder im Heim. Navel ist mittels Künstlicher Intelligenz in der Lage, Senioren Gesellschaft zu leisten, eine soziale Beziehung aufzubauen und mit ihnen zu sprechen, indem er beispielsweise die Emotionen seines Gegenübers erkennt, errechnet und entsprechend ein einfaches Gespräch führt. Andere soziale Interaktionsroboter können mit Menschen spielen, sie zu gymnastischen oder Rehabilitationsübungen anleiten. Aber sie sind auch fähig, die Briefpost oder Bücher vorzulesen.
Ein weiterer Bereich, in dem intensiv geforscht wird, ist das weite Feld der (teils humanoiden) Assistenz- und/oder Pflegeroboter. Serviceroboter, wie etwa der vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) entwickelte, vielseitige Care-O-bot können z.B. Essen bringen, Getränke servieren, Medikamente ausgeben, an Termine, die Einnahme von Medikamenten oder an das Trinken erinnern.
Weitere Aufgaben solcher Roboter, die sie jetzt schon oder künftig bewältigen, dürften die Zimmerreinigung sein, das Geschirr- oder Wäschewaschen, die Wäsche- und Essensverteilung, das Absolvieren von Kontrollgängen, telemedizinische Untersuchungen, Hilfe beim Ankleiden, der Nahrungsaufnahme oder Körperhygiene, das Heben von Patienten aus dem Bett oder in einen Rollstuhl und so weiter. »Assistenzroboter mit umfangreicheren, auch physischen Interaktionsfähigkeiten und komplexem autonomem Verhalten sind noch der Forschung zuzuordnen«, heißt es seitens Fraunhofer-Instituts.
Milliardenmarkt jenseits der Kármán-Linie
Als Terrorwaffe V2 geplant, durchstieß eine von der Heeresversuchsanstalt Peenemünde auf der Ostseeinsel Usedom gestartete Aggregat 4-Fernrakete am 20.06.1944 als erstes von Menschen konstruierte Objekt die Grenze zum Weltraum, die sogenannte Kármán-Linie (100 Kilometer). An diesem Tag erreichte die A4 eine Rekordhöhe von etwa 174,6 Kilometern über dem Meeresspiegel.
Das letzte Mal, dass eine in Deutschland gestartete Rakete den Weltraum erreichte, war der 02.05.1963. Es war eine vom deutschen Raketenkonstrukteur Berthold Seliger (1928-2020) vom Startplatz Cuxhaven abgeschossene selbst entwickelte Dreistufenrakete, die – zunächst mit reduzierter Treibladung, eine Gipfelhöhe von rund 110 Kilometern erklomm. Verschiedene Quellen berichten sogar von Höhen bis zu 160 Kilometern, die später – bei voller Treibladung – erreicht wurden. Ein genaues Startdatum dafür ist aber nicht eindeutig belegt. Nach diesem Flug wurden Starts mit erwarteter Flughöhe oberhalb von 100 Metern im Cuxhavener Wattengebiet aus Sicherheits‑ und Genehmigungsgründen untersagt, sodass seither keine deutsche Rakete mehr von deutschem Boden gestartet, die Grenze zum Weltraum überschritten hat.
Seitdem dämmert die deutsche Raumfahrt vor sich hin. Nach den Fehlschlägen mit den ELDO-Raketen Europa 1 und Europa 2 zwischen 1968 und 1971 wurde Deutschland mit wenig Eigenständigkeit fest in internationale Projekte eingebunden. Zu diesen Projekten zählen die Beteiligung an der Internationalen Raumstation (ISS), die Mitentwicklung der Trägerrakete Ariane 6 und die Mitarbeit an Galileo, dem europäischen Satellitennavigationssystem.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) ist das zuständige deutsche Forschungszentrum, außerdem Weltraumagentur. Es spielt eine zentrale Rolle in der Forschung und Entwicklung neuer Technologien für die Luft- und Raumfahrt. Daneben ist Deutschland einer der wichtigsten Mitgliedsstaaten der ESA (Europäische Weltraumorganisation) und beteiligt sich an zahlreichen ESA-Missionen und -Projekten, wie z.B. der Erforschung des Mars mit dem ExoMars-Rover.
Inzwischen scheint die deutsche Raumfahrtindustrie bestrebt zu sein, mehr Souveränität und Unabhängigkeit zu erlangen, insbesondere ihre technologische Souveränität zu stärken und neue Märkte zu erschließen. Die Politik setzt auf eine stärkere Beteiligung privater Unternehmen und eine Förderung von Innovationen, insbesondere im Bereich der New Space-Aktivitäten. Darunter sind vornehmlich private und privat finanzierte kommerzielle Geschäftsmodelle zu verstehen: von Trägersystemen (z.B. wiederverwendbare Raumgleiter) und Kleinsatelliten über Weltraumtourismus, Produktionsstätten in der Schwerelosigkeit (Raumstationen) bis hin zu Mond- bzw. Asteroiden-Bergbau und Weltraumkolonien. Ziel ist es, Deutschland als führenden Standort für Raumfahrttechnologien und -anwendungen zu positionieren und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Raumfahrtindustrie zu steigern.
Im Januar 2025 forderte der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) die deutsche Politik auf, ihr Engagement bei der militärischen und strategischen Raumfahrt signifikant zu erhöhen. Die Branche könne technologisch mithalten, benötige jedoch eine klare Strategie und mehr Investitionen, um die Souveränität Deutschlands und Europas zu sichern. Marie-Christine von Hahn, Hauptgeschäftsführerin des BDLI: »Wir haben in Deutschland und Europa bei der Raumfahrt großen Aufholbedarf. Die sicherheitspolitische Bedeutung des Weltalls darf hierzulande nicht länger die zweite Geige spielen.«
Analysten von McKinsey & Company sehen in der Weltraumwirtschaft (engl.: Space Economy) einen stark wachsenden und bedeutenden Markt. Verglichen mit einem Geschäftsvolumen von 630 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023, gehen sie für das Jahr 2035 von einem inflationsbereinigten Marktvolumen von 1,8 Billionen US-Dollar aus. Dieser Wert umfasst einerseits direkte »Backbone-Anwendungen« – etwa den Bau von Satelliten und Trägerraketen oder weltraumgestützte Dienstleistungen wie etwa GPS oder Mobilfunk. Darüber hinaus sind sogenannte »Reach Applications« weitere Wachstumstreiber. Darunter werden Produkte und Leistungen verstanden, die entweder neu, aufgrund der Raumfahrtanforderungen, entstehen oder durch sie getrieben werden, etwa Robotik oder Künstliche Intelligenz. Dieses beispiellose Wachstum wird sowohl durch technologische Fortschritte als auch durch eine steigende globale Nachfrage nach weltraumgestützten Diensten vorangetrieben.
Kein Wunder, dass auch neue deutsche Raumfahrt-Startups ihre Stücke, also mehr als nur ein paar Krümel, vom Kuchen haben wollen. Unverzichtbar ist daher eine breite Unterrichtung der Öffentlichkeit sowie der Meinungsführer und Entscheidungsträger über die Chancen und Vorteile innovativer Technologien: Seien es Künstliche Intelligenz, Robotik, Quantencomputer, Raumfahrt, Gentechnologie, Synthetische Biologie, Nanotechnologie usw. Nur über eine solche breit angelegte Unterstützung kann sich Deutschland wieder in Richtung Weltspitze voran arbeiten.
Zu den erfolgreichen deutschen Raumfahrt-Startups, die in jüngster Zeit gegründet wurden und mit aktuellen Projekten den Start in den Weltraum wagen, zählen u.a. HyImpulse Technologies (Website), POLARIS Raumflugzeuge (Website), Rocket Factory Augsburg (Website) und The Exploration Company (Website).
Auch das Unternehmen Isar Aerospace ist ein Startdienstanbieter für Satelliten, der mit seiner 28 Meter hohen Trägerrakete ›Spectrum‹ Tests am norwegischen Weltraumbahnhof Andøya Spaceport durchführt und auch von dort bald regelmäßig starten möchte.
All diese Beispiele zeigen, dass Deutschland technologisch-wirtschaftlich noch nicht so abgeschlagen ist, wie häufig geunkt wird. Dennoch gibt es eine starke Macht ideologisch verirrter und irrationaler Maschinenstürmer aus dem Politik-, Medien- und NGO-Komplex, die, statt hinauf zu den Sternen zurück in ein naturseliges Biedermeier möchten. Diese Klasse parasitärer Nettostaatsprofiteure strebt hartnäckig zugunsten »ökologischer Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit« eine vorsätzliche Degrowth-Politik an. Mit den Idealen von Lastenfahrrädern und anderen nicht-motorisierten Fortbewegungsmitteln, Verzicht auf Flugreisen und Kreuzfahrten, Gemüsekooperativen, Tauschbörsen, Reparaturinitiativen usw. werden sie lediglich erreichen, dass die deutsche Bevölkerung verarmt, in Verteilungskonflikte gerät, einer sinkenden Lebenserwartung entgegensieht – und sich Deutschland als ehemalige Kulturnation auflöst. Das ist zwar ihr Ziel. Aber es ist das Ziel einer totalitären Minderheit.
Scrollt man durch die sozialen Medien, durch YouTube u.Ä. wird man förmlich von oben bis unten von defätistischen Schlagzeilen angesprungen: »Deutschland ist nicht mehr zu retten. / Es wird wieder Krieg geben. / Wir sterben aus – und keiner redet darüber. / Damit wird die deutsche Mittelschicht ausradiert. / Fremd im eigenen Land: Eine Gefahr für alle. / In wenigen Jahren ist unser System am Ende. / Das Wirtschaftssystem auf der Kippe. / Verlieren 80 Millionen Deutsche alles. / Es verlassen mehr Menschen Deutschland als zurückkehren« …
Nachsatz
Der Kulturphilosoph Arnold J. Toynbee sah die Grundlage der Entstehung von Zivilisationen in der Fähigkeit »schöpferischer Minderheiten« Lösungen und Antworten (responses) für die Krisen und Herausforderungen (challenges) des jeweiligen Zeitalters zu finden. Gelingt diese Krisenbewältigung nicht, wird die jeweilige Zivilisation untergehen⁵.
¹Garett Jones, The Culture Transplant. How Migrants Make the Economies They Move To a Lot Like the Ones They Left, Stanford Business Books, November 2022, 228 Seiten (https://www.sup.org/books/economics-and-finance/culture-transplant).
²Aus: Bassam Tibi, Europa ohne Identität? Die Krise der multikulturellen Gesellschaft. Bertelsmann, München 1998.
³Gaetano Mosca, Die Politische Klasse (Band 1), Seite 9, epubli; 3. Edition (27. Januar 2020).
⁴Original: »We have no eternal allies, and we have no perpetual enemies. Our interests are eternal and perpetual, and those interests it is our duty to follow«
⁵Hans-Joachim Niemann (Bamberg), Die Utopiekritik bei Karl Popper und Hans Albert, aus: Aufklärung und Kritik Nr. 1, S. 57-64, Nürnberg 1994, (Gesellschaft für kritische Philosophie)
⁶Zitiert nach: Thomas Tartsch, Islamismus, Dialog und Euro Islam. Gehenna Buchverlag, Datteln, 2008 (Seite 59).
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