
ESA bäumt sich auf: »Weltraumoasen« auf Mond und Mars im Jahr 2040
»In den letzten 10.000 Jahren entwickelte die Menschheit etwa 20 Hochkulturen, die alle unterschiedliche Schwerpunkte kannten, doch nur eine einzige Hochkultur, die aus der Antike kommende Kultur des Abendlandes, fand den Durchbruch zu einer technischen Hochkultur, die inzwischen die Erde dominiert.« (…) »Welch eine wissenschaftliche Potenz in der Antike vorhanden war und mit ihr unterging, zeigt das Beispiel von Eratosthenes, ein Universalgenie aus Alexandria in Ägypten. Eratosthenes hatte genau in der Mittagszeit Stöcke in den Boden gesteckt und in verschiedenen Gegenden den Schattenwurf der Sonne exakt vermessen. Aus dieser Schattenlänge konnte er berechnen, dass die Erde eine Kugel ist; bei der Bestimmung des Erdumfangs irrte er sich nur um wenige Prozent. Hätte sich die Forschungslust der Antike lückenlos fortgesetzt und wäre sie nicht in Europa durch das Mittelalter unterbrochen worden, dann wäre der technisch-naturwissenschaftliche Standard unserer Zeit vielleicht noch höher, als er tatsächlich ist«, stellte der Molekularbiologe und Autor Manfred Reitz in seinem Werk ›Leben jenseits der Lichtjahre‹¹ fragend fest.
Angesichts der zu Deindustrialisierung und Bildungsabsturz führenden Politik einer herrschenden Ochlokraten-/Kakistokraten-Klasse in Deutschland und der EU stellt sich erneut die Frage nach einem Abbruch der technisch-naturwissenschaftlichen Entwicklung. Dennoch scheint es in Europa noch Geister zu geben, die sich diesem Trend mit Ehrgeiz entgegenstemmen. Denn was möglich ist und seiner Umsetzung harrt, hat die Europäische Weltraumorganisation ESA in den Manifesten ESA Strategy 2040 und ESA Technology 2040 Vision zusammengefasst. Jenseits der üblichen Betätigungsfelder wie Erdbeobachtung, Navigation oder Sicherheit bzw. Verteidigung, wird nun der fernere Weltraum ins Visier genommen.
Den Plänen der ESA-Wissenschaftler zufolge, könnte bald damit begonnen werden, innerhalb der nächsten fünfzehn Jahre im gesamten Sonnensystem dauerhafte Habitate zu errichten. Das Dokument »Technology 2040 Vision« skizziert eine Zukunft, in der Menschen autarke Kolonien sowohl auf der Mond- als auch auf der Marsoberfläche dauerhaft bewohnen. Der Vision zufolge werden diese außerirdischen Siedlungen als lebensspendende »Weltraumoasen« über geschlossene Lebenserhaltungssysteme und fortschrittliche Möglichkeiten zur Ressourcenverwaltung verfügen. Dies ermögliche es den Bewohnern, nicht nur zu überleben, sondern auch zu gedeihen. Neben der Kolonisierung von Himmelskörpern sehen die Entwürfe auch orbitale Lebensräume (Weltraumkolonien) rund um die Erde vor.
Europäische Raumfahrtbeamte beschreiben die Strategie als Transformation der Menschheit in eine »interplanetarische Spezies« durch revolutionäre technologische Fortschritte.
Die Vision der Weltraumagentur umfasst autonome, mit künstlicher Intelligenz ausgestattete Erkundungsroboter, die eigenständig bisher unzugängliche Orte erforschen. Diese Maschinen werden in der Lage sein, ihre Operationsprioritäten selbst zu bestimmen, beispielsweise, ob sie in außerirdische Ozeane hinabsteigen oder durch Marshöhlen- oder -kratersysteme navigieren. Durch Bergbauarbeiten auf Asteroiden und Kometen werden sowohl wertvolle Mineralien als auch wissenschaftliche Daten über die Entstehung unseres Sonnensystems gewonnen.
Die ESA geht davon aus, dass die orbitale Fertigung die derzeitigen Beschränkungen durch die Nutzlastkapazität der Raketen beseitigen wird. In dem Dokument heißt es: »Große Weltraumstrukturen unterliegen nicht mehr den Beschränkungen der Abmessungen von Trägerraketen. Entweder im Weltraum entfaltet oder direkt im Orbit oder auf der Oberfläche des Mondes oder Mars hergestellt und zusammengebaut, können diese Mammutkonstruktionen so groß sein, wie sie sein müssen.« Mithilfe der Möglichkeit des 3D-Drucks könnten riesige Infrastrukturen direkt im Weltraum errichtet werden, ohne dass Materialien teuer von der Erde transportiert werden müssten.
Josef Aschbacher, deutscher Generaldirektor der ESA, forderte die Mitgliedsstaaten auf, die strategische Vision für die kommenden zwanzig Jahre zu unterstützen: »Dies ist nicht nur ein Fahrplan, sondern ein Aufruf zum Handeln«, erklärte er.
Die Dokumente kommen zum Schluss, der heißt: »Die Expansion in den Weltraum ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Der Weltraum ist keine Grenze mehr, sondern ein Territorium. Er erschließt unbekannte Ressourcen, die neue Märkte eröffnen und wissenschaftliche Durchbrüche ermöglichen.« Die Agentur prognostiziert eine »rasante technologische Entwicklung, die unser Verständnis des Weltraums und der Rolle der Menschheit darin neu definieren wird«.
¹Manfred Reitz, Leben jenseits der Lichtjahre: Die Wissenschaften auf der Suche nach außerirdischen Intelligenzen, Taschenbuch, Insel Verlag, Frankfurt am Main/Leipzig, 1998.
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