These: Intellektuelle – Akteure eines neuen Klassenkampfes?

Der Klassenkampf nach altmarxistischer Theorie zwischen ausbeutenden Klassen (Kapitalisten) und ausgebeuteten Klassen (Proletarier), der in Reinform so nie und nirgends stattfand, wurde während der letzten Dekaden durch andere Akteure abgelöst. Eine neue Klasse parasitärer Staatsexistenzen¹ hat den Restbeständen der wertschöpfenden Klasse² den Krieg erklärt. Getrieben und angeführt wird diese parasitäre Klasse von einer Reservearmee des urban-akademischen Lumpenproletariats, den Intellektuellen.

Während die parasitäre Klasse – und ihre Metaklasse³ der Geldmacht – über ein ausgebildetes Klassenbewusstsein verfügt, fehlt dies der wertschöpfenden Klasse vollständig. Die intellektuelle Klasse erreicht nicht unbedingt die breite Öffentlichkeit, aber sie beeinflusst Meinungsführer und diktiert die ideologischen Leidenschaften innerhalb einer städtischen und akademischen Soziologie, die einen kulturellen und politischen Einfluss ausübt, der in keinem Verhältnis zu ihrem Gewicht in der Bevölkerung steht. Sie hat es nicht nur nie gelernt, sondern verabscheut es geradezu, ihr Geld unter Marktbedingungen zu verdienen. Sie lindert aufgrund ihrer ideologischen Verblendung, ihrer fehlerhaften Prognosen und manipulativen Propaganda nicht das Leid der Menschen, sondern vergrößert es – oft vorsätzlich. Und meistens zum eigenen Nutzen.

In seinem am 09.04.2025 in der Edition L’Observatoire erschienenen Buch »Pourquoi les intellectuels se trompent« (Warum sich Intellektuelle irren) untersucht der französische Essayist Samuel Fitoussi die sozialen, kulturellen und kognitiven Mechanismen, die Intellektuelle zur Blindheit führen, nicht selten zum Nachteil der Gesellschaft, die sie angeblich aufklären wollen, und der sie sich überlegen fühlen. In seinem noch nicht auf Deutsch vorliegendem Werk erklärt er, weshalb Intellektuelle als eine Teilmenge der o.g. parasitären Staatsklasse, so oft Unrecht haben. Und sich dennoch unablässig der wertschöpfenden Klasse gegenüber als Avantgarde dünken. Fitoussi verweist auf eine Feststellung George Orwells, der einst schrieb: »Gewisse Ideen sind derartig absurd, dass nur die Intellektuellen daran glauben können«. Fitoussi behauptet nicht, dass Intellektuelle immer Unrecht haben, sondern fragt: Warum tun sie es mit solcher Meisterschaft, wenn sie Unrecht haben?

»Aber im besten Fall kann es auch eine Grundlage für das nächste deutsche Wirtschaftswunder werden – so wie die Millionen von Gastarbeitern in den 50er und 60er Jahren ganz wesentlich zum Aufschwung der Bundesrepublik beigetragen haben«, versprach laut FAZ vom 15.09.2015 der damalige Vorstandsvorsitzende der Daimler AG, Dieter Zetsche, auf der IAA. Und packte angesichts einer völlig überstürzten, illegalen Masseneinwanderung, in eine Aussage gleich zwei Lügen. »Wer an die Zukunft denkt, wird sie nicht abweisen«, schob er pflichtschuldigst hinterher.

Der Migrationsforscher Rainer Bauböck antwortete am 27.10.2015 auf Fragen der linksliberalen österreichischen Tageszeitung ›Der Standard‹: »Wenn man in Relation setzt, wie viele Menschen in der Türkei, im Libanon und in Jordanien aufgenommen worden sind, muss man sagen, dass eigentlich nur wenige Flüchtlinge nach Europa gekommen sind.« Und: »In zehn Jahren wird man einer Kanzlerin Merkel wahrscheinlich dankbar sein. Nicht nur, weil sie humanitär richtig gehandelt hat, sondern auch, weil sie etwas getan hat, was zum Vorteil des Wirtschaftsstandorts Deutschlands war.«

Die Frankfurter Rundschau (FR) berichtete am 10.03.2024: ›Der Biologe und Autor Doktor Mark Benecke hat vor extremen Temperaturen im Sommer 2024 gewarnt. »Ich kann Ihnen aus den Erfahrungen der letzten Jahre mit fast völliger Sicherheit […] sagen, dass wir den Höllensommer des Jahrhunderts und Jahrtausends kriegen werden«, sagte der 53-Jährige während eines Vortrags in Bonn am Mittwoch‹ (06.03.2024). »Die Erde fackelt ab«, warnte er vor dem Klimawandel.

»Wenn sich zu medizinischen Themen das Robert Koch-Institut äußert, dann hat es einen Grund, dass das Robert Koch-Institut das tut. Das Robert Koch-Institut basiert seine Aussagen auf dem wissenschaftlichen Konsens, also auf dem, was im Normalfall 95, 98, 99 Prozent der Wissenschaftler aus diesem Fachgebiet sagen«, antwortete der Physiker Holm Gero Hümmler in der Sendung SWR1 Leute am 29.04.2024 auf die Frage, woran man seriöse Wissenschaft erkennen könne. Zum Ursprung der Corona-Pandemie äußerte er apodiktisch: »(…) dass es ein Fledermaus-Virus ist, das ist belegt, da gibt es auch nichts groß zu diskutieren. (…) auch da deuten die meisten Daten, die man haben kann, auf diesen Fisch- und Tiermarkt hin. Da waren die ersten dokumentierten Fälle, auch mit einer sehr signifikanten Häufung. Insofern muss man davon ausgehen, dass es das war (…).« Hümmler war kurzzeitiger Vorsitzender der Skeptiker-»Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften« (GWUP). Er hält u.a. sogenannte Critical Studies, (irrationale Fachbereiche wie etwa Gender Studies, Queer Studies, Critical Race Theory, Identitätspolitik, Intersektionalität, Post Colonial Studies, Fat Studies) für »moderne Richtungen der Geistes- und Sozialwissenschaften«.

Auf der Digitalkonferenz ›re:publica 2024‹ umschrieb die Publizistin und Philosophin Carolin Emcke ihre Vorstellung einer Diskurskultur⁴: »Ich würde wirklich dazu aufrufen, dass niemand, der eingeladen wird, in einer Rahmung, die Pro und Kontra heißt, teilzunehmen. Ich würde wirklich inständig darum bitten. Es muss aufhören, wir müssen aufhören, diese Rahmung zu bedienen. Es wird uns beständig vorgemacht, es gäbe zu allen Fragen gleichermaßen wertige, gleichermaßen vernünftige einander widersprechende Positionen. Das ist, mit Verlaub, einfach Bullshit. Ja und es führt zu [?], wir müssen es abschaffen. […] Und es ist auch eine Form von Selbstverdummung. Wenn wir in diesem Pro-und-Kontra-Format uns vereindeutigen müssen, wo Dinge komplizierter sind … Also bitte, lassen Sie sich nicht einladen in diese Formate. Es ist wirklich eine systematische Zerstörung von vernünftigem, rationalem, differenziertem Diskurs«. Und in den Beifall des Plenums hinein wiederholte Emcke es noch einige Male: »Wir müssen es abschaffen!« Ihre Botschaft, mit der sie nicht alleinsteht, lautete: Zu mehr Demokratie durch totalitäre Bevormundung.

»Verbieten, jetzt!« In der ZDF-Talkshow Markus Lanz vom 25.07.2024 sagte die Inhaberin des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Verfassungsrecht und Sozialrecht an der Universität Potsdam, Frauke Brosius-Gersdorf, »dass« [nach einem etwaigen AfD-Verbot] »damit nicht die Anhängerschaft beseitigt ist« (…).

»So fühlt man Absicht, und man ist verstimmt« (Goethe). Weshalb lagen beispielsweise während des als Pandemie inszenierten politischen Ausnahmezustands zwischen 2020 und 2023 so viele (linke) Intellektuelle falsch und positionierten sich mit einem menschenverachtenden Totalitarismus? Sie wollen es bis heute nicht wahrhaben. Doch nichts könnte nachdrücklicher ihren totalitären, tyrannischen Charakter entblößen. Im Zusammenhang mit der sogenannten COVID-19-Pandemie zeigte sich nämlich, wie dünn der Firnis der Zivilisation ist. Auffällig sind in diesem Zusammenhang die zahlreichen menschenverachtenden, hasssprühenden Forderungen maßgeblicher Personen aus Politik, Medien, Behörden, Universitäten, berufsständischen Organisationen, usw., die ihren Vernichtungsfantasien⁶ freien Lauf ließen. Der französische Soziologe und Theologe Jacques Ellul schrieb in seinem Werk ›Propaganda‹: »Damit sie« [Anm.: die agitierende subversive Propaganda] »erfolgreich ist, muss sie an die einfachsten und gewalttätigsten Gefühle appellieren, und dies mit den grundlegendsten Mitteln. Im Allgemeinen ist der Hass die vielversprechendste Triebfeder. (…) Doch ist der Hass einmal geschürt, wird er zum Selbstläufer

Fitoussi charakterisiert den ordinären Intellektuellen als ein Individuum, dessen Arbeit im Bereich der Ideen beginnt und endet. Der Intellektuelle sei daher derjenige, der nicht unter den direkten Folgen seiner Fehler leide. Anders als ein Unternehmer, dessen Firma Pleite gehen könne, anders als der Bäcker, der seine Kunden verlöre, wenn sein Brot schlecht ist, oder ein Pilot, der bei einem Fehler seine eigene Haut und die seiner Passagiere riskiere, kann der Intellektuelle Fehler begehen, ohne dafür bestraft zu werden. Doch überall dort, wo der Fehler kein Preisschild trage, finde die Irrationalität einen fruchtbaren Boden. Es ist der direkte Weg in die Verantwortungslosigkeit, die kein Vertreter der parasitären Klasse zu übernehmen bereit ist: Politiker nicht, Professoren nicht, Beamte, Richter und Staatsanwälte erst recht nicht! Keines von ihnen hat noch »skin in the game«. Stattdessen überdurchschnittlich hohe Einkommen und Pensionen.

Mit Rückgriff auf den konservativen britischen Schriftsteller und Philosoph Roger Scruton (1944-2020) verweist Fitoussi zudem auf die »Oikophobie« westlicher Intellektueller. Wenn Xenophobie (Fremdenfeindlichkeit) die instinktive Ablehnung von allem ist, was von außen kommt, dann bezeichnet »Oikophobie« das entgegengesetzte, ebenso irrationale Gefühl: die Ablehnung der eigenen Heimat, kurz: des Eigenen. So gesehen war es nicht so sehr der Kommunismus, den die Intellektuellen für das liebten, was er war, sondern für das, was er verkörperte: ein Gegenmodell zur liberalen Demokratie, das Versprechen einer Utopie, die es ihnen erlaubte, das zu verurteilen, was in ihrer Mitte existierte. Schon George Orwell prangerte die »Anglophobie« der britischen Intelligenzija an. Der linke Intellektuelle, schrieb er, würde sich lieber dabei ertappen lassen, wenn er Geld aus einem kirchlichen Opferstock stiehlt, als dabei, wie er mit der Hand auf dem Herzen die Nationalhymne singt.

Der US-amerikanisch-kanadische Psychologe, Kognitionswissenschaftler, und Autor Steven Pinker sieht im (linken) Intellektuellen jemanden, der mit anderen Teilen der Bevölkerung in einem Kampf um moralisches Prestige konkurriert. Er prangert die Gesellschaft an, in der er lebt, und behauptet, die Masse sei inkompetent, Unternehmer würden von egoistischen Interessen getrieben, Journalisten skandalisierten, Künstler vermitteln schädliche Botschaften – und frühere Generationen hätten ohnehin in Allem versagt. Für den Intellektuellen bedeutet die Abwertung anderer gleichzeitig die eigene Selbstüberhöhung (und Selbst-Wertschätzung).

Fitoussi arbeitet sich vor allem an linken Intellektuellen ab, was kein Zufall ist. Denn die Mehrheit der französischen Intellektuellen in dem von ihm behandelten Zeitraum von 1945 bis heute waren und sind linksgerichtet. Ähnlich sieht es in den anderen europäischen Ländern und in den USA aus.

In diesen Jahren lag die Linke, nach Fitoussis Recherchen, viel mehr falsch als die Rechte. Es waren die Verirrungen der Intelligenzija, die im 20. Jahrhundert viele Millionen Menschen getötet haben. In der UdSSR wurde die kommunistische Ideologie eher von Führungskräften und Akademikern unterstützt als von den Fabrikarbeitern. Anfang der Dreißigerjahre sorgte Adolf Hitler gerade in den besten deutschen Universitäten für Begeisterung, und seine Popularität bei den Professoren (sehr häufig Juristen) übertraf bei Weitem die bei der deutschen »Normalbevölkerung«. Übrigens verfügte auch die Hälfte der Teilnehmer an der berüchtigten Wannsee-Konferenz vom 20.01.1942 über einen Doktortitel. In Großbritannien stellte George Orwell fest, dass nur Intellektuelle die totalitäre Denkweise für sich übernommen hatten, Geschmack an einer Zensur ihrer ideologischen Gegenspieler fanden und vom Autoritarismus fasziniert waren.

Beispiele dafür gibt es auch für die Nachkriegs-Ära zuhauf: die Faszination für die UdSSR zum Beispiel. Simone de Beauvoir, eine Heldinnenfigur des Feminismus und Existentialismus, wird oft für ihr Werk »Das andere Geschlecht« (1949) gefeiert. Dennoch wird ihr Erbe nun kritisch hinterfragt. Etwa ihre Glorifizierung des chinesischen Revolutionärs und Diktators Mao Tse-tung: Ihm zu Ehren schrieb sie ein 400 Seiten langes Buch, in dem sie Frankreich aufforderte, seiner Politik zu folgen. »Der Maoismus ist ein Humanismus«, schrieb sie und veranschaulichte damit die Begeisterung einer Ära für Ideologien, die heute diskreditiert sind.

In den 1970er Jahren betrachtete ein Teil der westlichen Intelligenz auch die Roten Khmer in Kambodscha als Alternative zum Kapitalismus. Als die Wahrheit ans Licht drang, war die Bilanz erschreckend: fast zwei Millionen Tote. Doch die linksliberale französische Tageszeitung Libération begrüßte den Aufstieg der Roten Khmer zur Macht und leugnete den Völkermord lange Zeit. Zeitungsgründer war der Philosoph Jean-Paul Sartre, einer der Mitarbeiter unter anderem der Philosoph Michel Foucault. Nicht zu vergessen deren damalige Faszination für Fidel Castro, der von Sartre einen bewundernden Besuch erhielt, oder die enthusiastische Unterstützung der iranischen Revolution, die von Foucault und Sartre gepriesen wurde. Nicht zuletzt besuchte Sartre 1974 den RAF-Terroristen Andreas Baader in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim und nannte ihn einen politischen Häftling.

Im Übrigen waren auch die Gründer der ›Rote Armee Fraktion‹ Intellektuelle: etwa der Jurist Horst Mahler, die Journalistin Ulrike Meinhof oder die Studentin und Volksschullehrerin Gudrun Ensslin. Die italienischen linksextremen Roten Brigaden (Brigate Rosse), die zwischen 1970 und 1988 für Hunderte Terroranschläge verantwortlich waren, wurden von Soziologiestudenten und Soziologen gegründet und geführt.

Wie lässt sich die Faszination (linker) Intellektueller für mörderische totalitäre Regime erklären? Wie also konnten brillante Köpfe wie Sartre, de Beauvoir oder Foucault – um nur drei zu nennen, die Liste solcher intellektuellen Irrtümer könnte ein Telefonbuch füllen – taub und blind gegenüber den Massakern in der UdSSR, des Terrorismus sowie unter Pol Pot oder Mao Tse-tung bleiben?

Eine der von Fitoussi aufgestellten Hypothesen bescheinigt den Intellektuellen eine Neigung zur Enttäuschung über die liberalen Demokratien, was wiederum zum Rousseau‘schen Absolutheitsglauben zurückführt. Denn oft scheint es, die meisten (linken) Intellektuellen seien Wiedergänger des Genfer Philosophen Rousseau. Kritikern gilt Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) als »Erfinder« des neuzeitlichen Sozialismus »und des falschen Glaubens an die Existenz einer absoluten Gerechtigkeit und Gleichheit⁵ (…)«. Für Rousseau ist der Mensch an sich gut. Und es ist die Gesellschaft, die Schuld an seinem moralischen Verfall hat. Dieser Absolutheitsglaube mündete und mündet schließlich in den Massenverbrechen, die im Namen des Sozialismus, d.h. des Marxismus, Leninismus, Stalinismus, Maoismus, Ökosozialismus usw. begangen wurden – und werden.

Des Weiteren sind die Vorrechte des Intellektuellen in liberalen Demokratien begrenzt. In autoritären Gesellschaften ist es oft umgekehrt: Der Intellektuelle entwirft am Reißbrett eine Theorie über die perfekte Gesellschaft, und der Politiker setzt diese Theorie (vermeintlich) in die Tat um. Dies könnte nicht nur die »Tyranophilie« der Intellektuellen erklären, sondern auch ihre Ablehnung freiheitlicher Ordnungen (auch, wenn sie oft das Gegenteil behaupten). Dieser festgestellte Hang der (linken) Intellektuellen zum Totalitarismus, zur Despotie, zur Tyrannei – Fitoussi nennt es, mit Bezug auf den US-amerikanischen Politikwissenschaftler und Publizisten Mark Lilla, »Tyranophilie«, diese Faszination der Intellektuellen für mörderische totalitäre Regime, ist evident.

Die Unterstützung radikaler Ideen, insbesondere des Maoismus, die von einem Teil der Linken der 1960er und 1970er Jahre geteilt wurde, veranschaulicht ein wiederkehrendes Phänomen: das Festhalten an attraktiven, aber destruktiven Anliegen. Dieser Fehler ist kein Einzelfall. In den 1930er Jahren leugneten viele linke Intellektuelle die Hungersnot in der Ukraine und nannten sie ein ›antikommunistisches Gerücht‹. Durch dieses Leugnen, das von einflussreichen Medien verbreitet wurde, wurde Millionen von Opfern die internationale Hilfe entzogen. Diese Beispiele unterstreichen eine beunruhigende Wahrheit: Intellektuelle sind keineswegs unfehlbar, sondern erliegen manchmal als Erste der ideologischen Blindheit

Der (linke) Intellektuelle: Ein opportunistischer Mitläufer

Warum tappen brillante Köpfe in diese Fallen? Die Antwort liegt oft in einer zwanghaften Konformität. Intellektuelle bewegen sich in Kreisen, in denen bestimmte Ideen dominieren. Sich diesen Dogmen zu widersetzen, kann zu sozialer Ausgrenzung, Prestigeverlust oder, schlimmer noch, zur Ächtung durch die Medien führen. In diesem Zusammenhang ist es sicherer, mit dem Strom zu schwimmen, als gegen ihn anzustrampeln.

Zur Veranschaulichung dient das Beispiel der 1960er Jahre, als der Maoismus die intellektuellen Eliten ansprach. Die Verteidigung der chinesischen Kulturrevolution wurde trotz ihrer Gräueltaten als Akt moralischen Mutes angesehen. Diejenigen, die es wagten, Kritik zu üben, wie George Orwell oder Raymond Aron, wurden oft an den Rand gedrängt. Der französische Philosoph und Soziologe Raymond Aron, ein Zeitgenosse von Simone de Beauvoir, verurteilte, anders als viele seiner Kollegen, bereits in den 1950er Jahren die Exzesse des stalinistischen Kommunismus. Das Ergebnis? Er wurde isoliert und des Verrats an der Linken beschuldigt. Sein Beispiel zeigt, dass Wahrheit zwar wertvoll ist, aber kurzfristig selten belohnt wird. Intellektuelle, die eine bislang gültige Weisheit infrage stellen, müssen angesichts des intellektuellen Gruppenkonformismus mit schwerwiegenden Konsequenzen rechnen. Glaubwürdigkeitsverlust, persönliche Angriffe oder das Schweigen der Medien: Die Kosten sind hoch. Dennoch wählen einige diesen Weg, getrieben von der Sorge um die Wahrheit.

Doch dieser hohe Preis erklärt, warum so viele Intellektuelle lieber schweigen oder sich an vorherrschende Ideen halten. In einer Welt, in der soziale Medien die Polarisierung verstärken, wird es noch riskanter, die Wahrheit zu sagen. Abweichende Meinungen werden schnell abgestempelt, karikiert oder ausgeblendet.

Die Fehler der Intellektuellen bleiben nicht ohne Folgen. Ihr, durch ihren Status verstärkte, Einfluss, kann politische Maßnahmen, Bewegungen und sogar Tragödien beeinflussen. Die Unterstützung totalitärer Regime wie des Stalinismus oder Maoismus durch bestimmte Denker legitimierte Massengewalt. Heute ist die gleiche Dynamik wieder spürbar. Soziale Medien, ideologische Blasen und Polarisierung verstärken das Risiko der Blindheit. Brisante Themen – wie illegale Masseneinwanderung, Islamisierung, Aufrüstung, Meinungsfreiheit – werden oft mit einer Mischung aus Idealismus und Dogmatismus angegangen.

So erinnert etwa die Zensur abweichender Meinungen auf digitalen Plattformen an die Ächtung vergangener Zeiten. Ebenso kann die Begeisterung für bestimmte Anliegen, obwohl sie aufrichtig ist, Exzesse verschleiern. Die Lehre ist klar: Ohne Kritische Wachsamkeit werden sich die Fehler der Vergangenheit wiederholen.

In der akademischen Welt ist diese Gefahr am meisten ausgeprägt, da dort der Prozess der Bewertung durch Fachkollegen die Logik des sozialen Referenzsystems institutionalisiert. Dadurch besteht das Risiko eines geschlossenen, sich selbst referenzierenden Universums, das von der Realität abgeschottet ist. Wenn zwanzig Forscher, die davon überzeugt sind, die Erde sei hohl, eine Forschungsabteilung an einer Universität gründen, können sie sich gegenseitig bewerten, wissenschaftliche Arbeiten veröffentlichen, Prüfungen abnehmen und Diplome verteilen. Damit erschaffen sie ein geschlossenes System zur Bewertung ihrer eigenen Überzeugungen. Dieses Beispiel mag weit hergeholt erscheinen, entspricht aber vielleicht doch vielem, was wir heute in gewissen Sozialwissenschaften beobachten können, zum Beispiel in den zahllosen Studies: Gender Studies, Postcolonial Studies, Cultural Studies, Queer Studies, Critical Whiteness Studies, Critical Race Theory und so weiter, und so fort.

Ideologien verhindern, dass das Gehirn richtig funktioniert, argumentative Virtuosität wird oft in den Dienst des bösen Glaubens gestellt und Konformismus, der Wunsch nach Anerkennung und übermäßige Gewissheit lenken von der Suche nach der Wahrheit ab. Was die Universität betrifft, die einst ein Tempel des Wissens war, besteht die Gefahr, dass sie zu einer geschlossenen, selbstreferenziellen Welt wird, in der die Realität keinen Einfluss mehr hat. Im Rückgriff auf eine umfangreiche wissenschaftliche Literatur und eine Vielzahl historischer Beispiele warnt Samuel Fitoussi: Es ist immer einfacher, die Fehler der Vergangenheit aufzudecken – wenn die Geschichte erst einmal geschrieben ist – als die kollektive Blindheit der Gegenwart.

Angesichts dieser Herausforderungen plädiert Fitoussi dafür, die Rolle der Intellektuellen neu zu definieren. Anstatt zu versuchen, Wahrheiten aufzuzwingen, sollten sie Debatten, Nuancen und Bescheidenheit fördern. Ihre Mission solle nicht darin bestehen, die Massen zu leiten, sondern die richtigen Fragen zu stellen, auch wenn diese verstörend sind. Dieser Weg sei zwar beschwerlich, aber der einzige Weg, der die Intellektuellen mit ihrer Hauptaufgabe in Einklang bringen kann: aufzuklären, statt in die Irre zu führen. »Indem wir kritisches Denken fördern, Mut wertschätzen und Unsicherheiten akzeptieren, können wir die Fallstricke der Vergangenheit vermeiden

Die von Fitoussi angestoßene Debatte ist nicht bloß eine Kritik: Sie ist ein Aufruf zur Wachsamkeit. »In einer Welt, in der Ideen die Zukunft gestalten, ist es die Pflicht von uns allen – Intellektuellen wie Nicht-Intellektuellen, die Wahrheit zu suchen, koste es, was es wolle.« Denn wie Orwell sagte: »Freiheit ist das Recht, den Leuten zu sagen, was sie nicht hören wollen

Fazit und politische Schlussfolgerung

Man kann zwar, wie Fitoussi, die Intellektuellen bitten, diesen Wünschen nachzukommen. Aber zuerst muss diese übergriffige, außer Rand und Band geratene Klasse, eingefangen und zur Räson gebracht werden. Und sie muss, was ja Fitoussi ursprünglich beklagte, für ihre Fehler und ihren Hochmut bezahlen. Ein Ansatz bietet als Idee das US-amerikanische DOGE-Beispiel. Das ›Department of Government Efficiency‹ (dt.: Abteilung für Regierungseffizienz) hatte zur Aufgabe, den überbordenden Staat samt Personal auf seine Grundfunktionen zurück zu stutzen. Dazu gehört auch, die Ermöglichung der strafrechtlichen Verfolgung von Machtmissbrauch durch Politiker, Beamte, Behördenvertreter u.Ä. durch eine neu zu schaffende Funktion unabhängiger, turnusmäßig zu wählender Bürgeranwälte als unabhängige Ankläger gegen Politiker, Beamte, Richter, Staatsanwälte und Professoren, z.B. auf Grundlage der Verursacherhaftung. Darüber hinaus bedarf es einer Wahlpflicht für Richter und Staatsanwälte (wie z.B. in 43 US-Bundesstaaten) mit begrenzter Amtszeit, sowie die entschädigungslose Entlassung aller nichtsnutzigen, Steuergeld fressenden Existenzen, die einerseits ausschließlich auf den Staat (d.h. den Nettosteuerzahler) fixiert sind als einzige Einkommensquelle für ihre schädliche Ideologiearbeit, mit der sie andererseits alle einfachen normalen Menschen ebenso verachten wie die gewöhnliche, wertschöpfende Arbeit insgesamt.

¹Beamte, Staatsanwälte, Richter, Universitäts- und Hochschulprofessoren, Angestellte des öffentlichen Dienstes, Parteipolitiker, Personal steuerfinanzierter, staatsnaher NGOs und sonstige staatsnah Beschäftigte.
²Selbstständige und Freiberufler im Allgemeinen; Unternehmer, Gewerbetreibende, Handwerker, Landwirte usw. im Speziellen.
³Warren Buffet: »There’s class warfare, all right, but it’s my class, the rich class, that’s making war, and we’re winning« (dt.: »Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen«), New York Times, 26.11.2006.
⁴re:publica 2024: Was wahr ist – Ein Gespräch zwischen Carolin Emcke und Claudia Kemfert, YouTube, 03.06.2024
⁵Gaetano Mosca, Die Politische Klasse (Band 1), Seite 9, epubli; 3. Edition (27. Januar 2020).

Ich-habe-mitgemacht … Das Archiv des Corona-Unrechts, 2023. Herausgegeben von Burkhard Müller-Ullrich:
»Querdenker sind Terroristen, Amokläufer« (Mario Sixtus, Publizist, Drehbuchautor, Journalist, 20.12.2021).
»Gegner der Corona-Impfung sind ›gefährliche Sozialschädlinge‹« (Rainer Stinner, ehem. MdB, FDP, 06.08.2021).
»Impfgegner sind Staatsfeinde« (Udo Knapp, Politologe, Politiker, Publizist u.a. für taz, 20.02.2023).
»Wir hatten noch nie eine so große Gruppe von Staatsfeinden« (Karl Lauterbach, SPD, Bundesminister für Gesundheit im Kabinett Scholz 2021-2025, 17.04.2022).
»Kein Mitleid mit Ungeimpften« (Anton Faber, Domkapitular und Dompfarrer, Stephansdom, Wien, 15.11.2021).
»Regierungskritiker ›isolieren‹« (Sebastian Koos, Professor für Soziologie, Universität Konstanz, 02.08.2021).
»Aufspüren! Einfangen! Internieren & durchimpfen!« (Aufkleber Antifaschistische Aktion, 20.11.2021).
»Heute ist so ein Tag, an dem ich jedem freiwillig Ungeimpften gern kommentarlos aufs Maul hauen würde« (Bianca Blomenkamp, Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen, Bezirksversammlung Harburg; u.a. Fachsprecherin für Antidiskriminierung, 06.12.2021).
»Im Zweifelsfall Pfefferspray und Schlagstöcke einsetzen« (Saskia Weishaupt, MdB, Bündnis 90/Die Grünen, 22.12.2021).

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