
Noch während der 1970er Jahre bereiteten sich Zukunftsforscher, Wissenschaftler und politische Entscheidungsträger auf die 15-Milliarden-Gesellschaft vor. Denn nach damaligen Berechnungen sollten spätestens um die Jahrtausendwende herum mindestens 15 Milliarden Menschen auf der Erde hausen.
Inzwischen verzeichnen jedoch – bis auf islamisch dominierte und afrikanische Staaten – weite Teile der Welt oft dramatische Geburtenrückgänge. In einem kürzlich veröffentlichten 22-seitigen Bericht weist die »Sonderbeauftragte für demografischen Wandel und Sicherheit« der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, die Österreicherin Gudrun Kugler, auf die tiefgreifenden Auswirkungen dieses demografischen Wandels hin. Die Sicherheit und Stabilität in der gesamten OSZE-Region seien davon betroffen.
Der Bericht mit dem Titel »Demographic Change in the OSCE Region: Analysis, Impact and Possible Solutions of a Mega Trend Reshaping Society« (dt.: »Demografischer Wandel in der OSZE-Region: Analyse, Auswirkungen und mögliche Lösungen eines Megatrends zur Umgestaltung der Gesellschaft«) fordert dringende politische Maßnahmen, um den sinkenden Geburtenraten, der alternden Bevölkerung und ihren weitreichenden Folgen entgegenzuwirken.
»Der demografische Wandel wird unsere Gesellschaften grundlegend verändern, doch wir sind nicht ausreichend vorbereitet«, sagte Kugler bei der Vorstellung ihres Berichts. »Sinkende Geburtenraten und eine alternde Bevölkerung setzen unsere Wirtschafts- und Sozialsysteme enorm unter Druck. In Österreich beispielsweise werden bis 2042 auf jeden Rentner nur noch zwei Personen im erwerbsfähigen Alter kommen, was die Rentensysteme und den Arbeitsmarkt erheblich belastet.«
Vladimir Gjorchev, Nationaler Koordinator für Demografie, Jugend und Humanressourcen in Nordmazedonien, schloss sich dem an und sagte: »Alle reden über Humanressourcen, aber ohne Menschen gibt es keine Humanressourcen. Seit 2019 leben zwei Drittel der Weltbevölkerung in Ländern mit einer Geburtenrate unter 2,1. Das bedeutet, dass viele Länder mit einem starken Bevölkerungsrückgang und einer starken Entvölkerung konfrontiert sind.« Und der Demograf Nicholas Gailey, Forscher am Wittgenstein-Zentrum für Demografie und globales Humankapital, erklärte: »Unerfüllte Kinderwünsche sind mittlerweile in der gesamten OSZE-Region weit verbreitet. Dies eröffnet deutlichen Handlungsspielraum für politische Maßnahmen zur Unterstützung von Familien. Dies sollte Teil einer umfassenderen Reaktion auf den demografischen Wandel sein, die eine Reflexion darüber erfordert, was für den Aufbau eines widerstandsfähigen und wohlhabenden Landes wichtig ist – einschließlich der Gesundheit, der Qualifikationen und des Wohlbefindens der Bevölkerung.«
Als Sondergesandte der Parlamentarischen Versammlung der OSZE arbeitet Kugler aktiv an der Suche nach Lösungen für diese drängenden Herausforderungen. Ihr Bericht wirft kritische Fragen auf, etwa, welche Anreize für familienfreundliche Gesellschaften erforderlich sind, warum Migration und Digitalisierung allein keine ausreichenden Antworten auf den Bevölkerungsrückgang sind, welche Sicherheitsherausforderungen auf uns zukommen und wie ungewollte Kinderlosigkeit reduziert werden kann. »Die Schlüsselfrage ist nicht nur, warum die Menschen so wenige Kinder haben, sondern, warum so wenige Menschen Kinder haben«, verdeutlichte Kugler. Des Weiteren führte sie aus: »Das ist ein Weckruf. Der demografische Wandel ist eine lebensverändernde Realität, die Bewusstsein und Engagement auf breiter gesellschaftlicher Ebene, einen kulturellen Wandel in der Einstellung zur Kindererziehung und strategisches politisches Handeln erfordert.«
Der vollständige Bericht, der außerdem politische Empfehlungen zur Eindämmung dieser Risiken durch Wirtschaftsreformen, soziale Anreize und strategische Planung enthält, ist hier verfügbar (PDF, 22 Seiten).
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